Baukulturelles Erbe im Salzkammergut
In dieser Episode von Welterbe Hallstatt möchte ich ein wenig über die schriftlichen Quellen zum Salzkammergut sprechen. Beim Marktbrand von 1750 wurden in Hallstatt nicht nur Gebäudeproduktionsanlagen zerstört, dem Brand fielen auch die Archivalien, die Urkunden im Hofschreiberamt zum Opfer. Das heißt, lokal in Hallstatt sind relativ wenige Quellen vorhanden, zum Beispiel auch die Quellen über den Bergbau, die am Rudolfsturm bis in die 1950er Jahre gelagert wurden. Die wurden, als dann der Bergbaubetrieb vom Salzberghochtal in das ehemalige Salinenspital, jetzt Salinenverwaltung, in der Lahn verlagert wurden. Auch da wurden zahlreiche Akten einfach weggeworfen. Also auch hier ist sehr, sehr wenig vorhanden.
Ein Glücksfall ist es insofern, dass viele dieser Akten in Zweitschrift ausgefertigt wurden und in den zentralen Archiven des Staates eingelagert wurden. Da gibt es ein ganz, ganz großes Archiv, das war das sogenannte Salzoberamtsarchiv. Das lag ursprünglich in Gmunden beim Salzoberamt, wurde dann ins Oberösterreichische Landesarchiv verlagert, wo diese Akten öffentlich einsehbar sind. Ein weiterer großer Bestand, der auch im Oberösterreichischen Landesarchiv liegt, das sind die Akten der Bezirkshauptmannschaft Gmunden, die auch das Innere Salzkammergut, die auch Hallstatt betreffen. Das sind so Akten Ende 19. Jahrhundert bis hinauf in die etwa 1950er Jahre. Ich möchte aber hier in dieser Episode über ein ganz spezielles Archiv erzählen, ein Archiv, in dem auch ich viel geforscht habe, und das ist das Finanz- und Hofkammerarchiv in Wien. Diese Hofkammer, von der habe ich schon in anderen Episoden ein wenig erzählt, das ist eine Verwaltungsbehörde, eine Institution, welche von Ferdinand I. 1527 begründet wurde. Und Ferdinand I., das war derjenige Habsburger, über den habe ich schon in der Episode 500 Jahre Salzkammergut erzählt, das ist derjenige, der auch das Reformationslibell für das Salzwesen erarbeitet ist, also ein großer Reformer. Und in dieser Hofkammer oder diese Hofkammer kann man sich, denke ich, als Superministerium vorstellen, einer Vorläuferorganisation, wo die Agenten, die heute im Finanzministerium, im Handelsministerium, im Wirtschaftsministerium, im Verkehrsministerium angesiedelt sind, die waren damals alle in einer Behörde in der sogenannten Hofkammer zusammengefasst. Und mit einigen Unterbrechungen bestand diese Hofkammer von 1527 bis zur Märzrevolution 1848.
Wo dann die Hofkammer eben in diese Verwaltungsstrukturen, wie es wir heute kennen, in die Ministerien aufgegliedert wurde. Aus diesem doch großen Zeitraum liegen Akten, liegen Archivalien, die alle schon eigentlich seit einem sehr frühen Stadium sorgfältig aufbewahrt wurden und die Bestände des Hofkamm-Archivs umfassen etwa 30 Millionen Akten. Und die Archivräumlichkeiten, wo diese Akten untergebracht wurden, natürlich wuchsen diese Aktenbestände im Laufe der Zeit massiv an, die wechselten in Wien doch manchmal den Standort. Dort ursprünglich befanden sich die Archivräumlichkeiten ab dem späten 16. Jahrhundert im Alten Kaiserspital. Das ist in Wien am Ballhausplatz, etwa dort, wo heute das Bundeskanzleramt steht. Eine Zeit lang wurde auch das Winterpalais des Prinzen Eugen zur Einlagerung von Akten benutzt. Über dieses Winterpalais des Prinzen Eugen habe ich also in einem Sidestep über die Pferdeeisenbahn Obertraun-Kainisch erzählt. Und dann wurde 1848 ein Neubau bezogen. Dieser Neubau steht in Wien in der Johannesgasse vis-à-vis dem Südeingang des Winterpalais des Prinzen Eugen und dieser sogenannte Neubau des Hofkammerarchivs, Sie haben jetzt vielleicht einerseits gehört, die Hofkammer bestand bis 1848, der Neubau 1848, also wirklich in dem Jahr, in dem die Hofkammer aufgelöst wurde, wurde das neue Archiv errichtet und das besteht in seinem Aktenbestand natürlich bis heute. Heute, also von 1848 bis 2006, war dieses Hofkammerarchiv, und das kann man sich wirklich als ein Biedermeier-Ensemble mit originaler Einrichtung, mit Regalen bis hin zum Direktionszimmer.
1848 war ja der Schriftsteller Franz Grillparzer Direktor des Hofkammerarchivs. Das war quasi sein Versorgungsjob, wo er durch staatliche Gelder unterstützt wurde und Zeit fand, seine mehr oder weniger langweiligen Theaterstücke zu schreiben. Von Franz Grillparzer gibt es die durchaus, finde ich, als sehr lustige Tagebucheintragung, wo er schreibt, heute um halb elf Uhr ins Büro gekommen, keine Arbeit vorgefunden. Also da fand er dann eben Zeit zum Stücke schreiben. Dieser sogenannte Neubau, der wurde, wie natürlich viele Objekte in der Innenstadt von Wien, auf den Fundamenten, auf den Kellergewölben eines vormals bestehenden Objekts errichtet. Da stand vorher an dieser Stelle in der Johannesgasse 6 der sogenannte Klein-Maria-Zeller-Hof. Klein-Maria-Zell, das ist eine Basilika, ein Kloster im Wiener Wald. Und dieses Kloster besaß ein Stadthaus, eben dieser Klein-Maria-Zeller-Hof.
Und der war 1848 bereits so baufällig, dass er bis Gelände Oberkante abgebrochen wurde. wurden die beiden Kellergeschosse aus dem Übergang 14. Bis 15. Jahrhundert erhalten geblieben. Und darauf wurde dann von dem Hofbaumeister Paul Sprenger, Paul Sprenger war so ein wichtiger Beamter in der staatlichen Baukultur in der Mitte des 19. Jahrhunderts, also er leitete auch das staatliche Bauwesen, wurden zahlreiche Gebäude der Monarchie errichtet und eben auch Neubau des Hofkamm-Archivs und der wurde definitiv als Archivzweckbau ausgeführt. Also da hat man sich wirklich ganz konkret überlegt, wie muss ein Archiv errichtet werden und da geht es ja vor allen Dingen um die Bestandssicherheit, um die richtigen baupysikalischen Rahmenbedingungen, damit diese Archivalien, also vor allen Dingen Papier, gut lagern kann. Und da hat sich oder wusste man damals, man braucht eine sehr massive Bausubstanz und einerseits ist natürlich diese massive Bausubstanz erforderlich, weil das Gebäude einfach statisch diese gewaltigen Lasten der Archivale ertragen muss, aber andererseits funktionieren dann diese dicken Ziegelwände und die sind in den unteren Geschossen über 90 Zentimeter stark, funktionieren die als wunderbarer Klimaspeicher, als Puffer. Also das heißt, Tagesspitzen bilden sich sowieso im Gebäudeinneren nicht ab, weil es da ja so lange dauert, bis die Tageshitze durch diese sehr dicken Wände, die ja die Wärme einspeichern, aber die speichern natürlich auch die Feuchtigkeit ein. Also das heißt, sowohl im Tagesgang, aber auch im Saisongang, also das Gebäude war ja nur das Direktionszimmer und der Lesesaal beheizt, die übrigen Archivräumlichkeiten waren unbeheizt, unklimatisiert, ganz schlicht mit Kastenfenstern ausgestattet und trotzdem waren die Archivalien dort so gut gelagert.
Weil wenn man sich das Klima im Jahresgang anschaut, also natürlich gibt es ein Temperaturminimum und ein Feuchteminimum im Winter und ein Temperaturfeuchtemaximum im Sommer, aber durch diese massive Bausubstanz verliefen diese klimatischen Veränderungen im Inneren sehr, sehr langsam und gleichmäßig. Also man kann sich das als eine Sinuskurve vorstellen. Und dieser ganz langsame Veränderungsprozess des Klimas, der stresst organische Materialien nicht. Ganz anders sieht es aus, wenn man heute glaubt, man könnte mit elektronisch gesteuerten Klimageräten ein ebenso gutes Klima herstellen, dann irrt man sich gewaltig. Denn diese elektronische Steuerung, die hat zwar auch einen Zielwert, aber natürlich eine obere und untere Regelgrenze und zwischen oberer und unterer Regelgrenze oszilliert dieser klimatische Wert ständig hin und her und diese schnelle Oszillieren stresst organische Materialien und die sind in modernen, mit Klimageräten ausgestatteten Archivräumlichkeiten oft wesentlich schlechter untergebracht als in diesem tollen Archivzweckbau. Also es gab eben zwei Kellergeschosse, fünf Obergeschosse und ich habe doch einige Zeit lang um die Jahrtausendwende in diesem Hofkammerarchiv geforscht und ich habe es natürlich auch als eine Zeitreise erlebt. Das war für mich auch wirklich faszinierend, in diesen Räumlichkeiten zu arbeiten, mit diesen Akten zu arbeiten. Und diese Akten sind ja in sogenannten Faszikeln gebündelt. Also das sind Aktenbündel, die etwa 1000 Folien umfassen. Die haben dann aus starkem Karton einen Deckel und sind dann mit einem Band, mit einer speziellen Schnürung verbunden. Und damit man sie überhaupt zurechtfindet, gibt es dann auch Verzeichnisse, die sogenannten Findbücher, wo in einer doppelt alphabetischen Ordnung die Akten verzeichnet sind. Wo sind also die Faszikel? Die sind quasi eine Tagesablage. Und wenn man dann nach Orten sucht, dann muss man in diese Findbücher gehen. Und diese Technik zu lernen, dann natürlich auch diese alten Handschriften zu lesen und das in diesen authentischen, originalen Räumlichkeiten.
War für mich ein ganz besonderes Erlebnis. Und ich habe das auch in einer sehr, sehr schönen Erinnerung. 2006 wurde leider dieses Archiv abgesiedelt. Man hat damals die ganzen Archivalien in das neue Staatsarchiv nach Wien-Erdberg verlagert und im Haus in der Johannesgasse ist jetzt das österreichische Literaturmuseum untergebracht. Also ich bin einmal durchgegangen, war eigentlich sehr traurig, die leeren Regale zu sehen. Die sind aus denkmalpflegerischen Gründen aufgehoben worden. Was noch erhalten ist, ist eben das Direktionszimmer Grillparzers.
Aber ich erlebe dieses Auflassen des Hofkammerarchivs eigentlich als einen sehr großen Verlust. Die Hofkammerhatte eben neben diesen genannten Aufgaben des Superwirtschaftsministeriums auch noch die Repräsentations- und Hofstaatauslagen zu verwalten. Und da finden sich alle möglichen Schriftstücke über Bezahlung von Künstlerhonoraren bis hin zur Bezahlung von Alchemisten. Also das ist natürlich für das Salzkammergut nicht relevant. Wenn man sich jetzt die Aktenbestände des Hofkammerarchivs anschaut, kann man sie in mehrere Gruppen aufteilen und das ist einerseits die Finanzverwaltung vor 1527, also die Hofkammer wurde zwar erst 1527 von Ferdinand I. Gegründet, Aber das Archiv enthält auch wesentlich ältere Akten. Die älteste Urkunde im Archiv ist ein Diplom von Friedrich I. Und stammt aus dem Jahr 1180.
Und dann gibt es Aktenbestände der sogenannten Niederösterreichischen Reitkammer. Über diese Reitkammer, über dieses Oberösterreich und Niederösterreich, da habe ich darüber berichtet in der Episode über den Löckerbrunnen. Das werde ich natürlich in den Shownotes verlinken. Also diese Landeswerdung von Niederösterreich und Oberösterreich und auch was heute Oberösterreich ist, hieß damals Niederösterreich. Und Reiten, das ist ein Wort, das kennen wir im Delikt als „roaten, hiatzt mua i amoi roaten“, also nachdenken in der ursprünglichen Bedeutung „Rechnen“ und in dieser Reitkammer wurden eben alle staatlichen Berechnungen, die mit Geld zu tun hatten, durchgeführt und auch die Rechnungskontrolle. Die Rechnungskontrolle, die wurde ja dann von der Hofkammer abgetrennt und wurde in einem eigenen obersten Rechnungshof erledigt. Und auch dieser Rechnungshof stand in baulicher Einheit eben auch in der Johannisgasse dort, wo das Hofkammerarchiv war, im Hofgebäude war dann auch der alte Rechnungshof untergebracht. Aber das hat sich eben dann alles in einzelne Behörden aufgespalten. Und aus dieser Finanzverwaltung vor 1527, da sind sehr interessante Aktenbestände, der sogenannte Fonds 6, obderennsische Salzkammergut und da habe ich einen dieser Faszikel mit fast 2000 Folien durchgearbeitet und Dinge gefunden, wie etwa aus dem 16. Jahrhundert Produktionsaufzeichnungen der Hallstätter Pfanne, wo Tag für Tag über ein Jahr lang genau aufgezeichnet wurde, wie viel produziert wurde. Da liegen Waldbeschauberichte drinnen, aus denen wir wissen, wie waren die damaligen Wälder zusammengesetzt, Wie waren die Urwälder zusammengesetzt? Da liegen alle möglichen Ansuchen von Personen drinnen, wo sich ein ganz lebendiges Bild dieser Zeit entwickelt und viele dieser Archivalien, weil es eben solche Mengen sind, sind noch nicht durchgearbeitet und warten auf die nächste Generation von Forschern. Das eigentliche Herzstück bilden die Akten der sogenannten Alten Hofkammer, also das ist von der Gründung 1527 bis Mitte 18. Jahrhundert. Mitte 18. Jahrhundert wurde die Alte Hofkammer aufgelöst, also da gab es eine mariatheresianische Verwaltungsreform. Man dachte, man muss alles neu aufstellen. Die Hofkammer ist natürlich, das muss man schon der Ehrlichkeit halber sagen, ursprünglich war diese Hofkammer ja eine sehr, sehr schlanke Behörde. Die bestand nur aus zwei Räten und ein wenig Schreibpersonal und die hat sich natürlich im Lauf der Jahrhunderte, so wie es halt Behörden so gern tun, in einem Wachstumsprozess immer mehr vergrößert, hat immer mehr Kosten verursacht. Und im Mitte des 18. Jahrhunderts wurde dann eine Reformation durchgeführt. Man hat einerseits, man versuchte die staatliche Verwaltung weiter zusammenzufassen und hat dann ein sogenanntes Direktorium in Publicis et Camaralibus gegründet. Aber wie es oft ist bei Reformen, es treten Rebound-Effekte auf, es treten Nebeneffekte auf und die neue Behörde hat dann noch mehr Beamte gebraucht, war noch komplizierter, sodass man sich einige Jahrzehnte später, also keine 15 Jahre später, wieder dazu entschlossen hat, wieder eine Reform zu machen.
Also man ist eigentlich auf die alte Struktur zurückgegangen. Allerdings wurde die jetzt aufgeteilt in Sektionen, also letztlich, wie wir es heute auch noch aus unseren Ministerien kennen. Und da betrifft das Salzkammergut, das sogenannte Bancale. In Bancale, da sind alle Staatsbetriebe und alle Zölle, alle Mauten, also alle für den Staatshaushalt einträglichen Geldquellen zusammengefasst. Die Bezeichnung Bancale, die stammt von der sogenannten Wiener Stadtbanco. Die Stadtbanco war im 18. Jahrhundert eigentlich fast so etwas wie eine Zentralbank. Die Wiener Stadtbanco gab auch das erste österreichische Papiergeld aus, die sogenannten Bancozettel, und wurde herangezogen zur Tilgung der Staatsschulden, also auch die ganzen Erträgnisse aus dem Salzkammergut, aus dem Salzwesen, aus dem Salzgefäll der Steuer auf Salz, die wurden alle zur Tilgung der Staatsschulden herangezogen. Also das sind ja Prozesse, die uns auch heute noch vertraut sind, dass die Behörden immer mehr wachsen, dass die Bürokratie immer mehr ausufert, dass die Staatsschulden immer mehr wachsen.
Das ist ja keine Erfindung der Gegenwart und da finde ich natürlich auch die Auseinandersetzung mit der Geschichte sehr interessant, dass ja das ein Prozess ist, der schon seit Jahrhunderten zu beobachten ist. Und dann gibt es noch einen Fonds, das sind die Bestände des Finanzarchivs. Also nachdem 1848 die Hofkammer aufgelöst wurde und in neue Ministerien, etwa für Ackerbau, Handel etc.
Aufgeteilt wurde, da wurden die Akt der Finanzverwaltung immer noch in den Räumlichkeiten des Hofkammerarchivs abgelegt. Und weil es natürlich eine neue Struktur war, bekam auch das Archiv einen neuen Namen im Finanzarchiv und darum wird jetzt dieses Archiv als das sogenannte Hofkammer- und Finanzarchiv bezeichnet. Aus diesen Aktenbeständen, also ab Mitte des 19. Jahrhunderts, sind die sogenannten montanistischen Akten relevant. Also das sind wieder Akten, welche den Bergbau betreffen. Und auch hier finden sich wieder sehr viele Bezüge zu Hals statt und auch hier kann man sehr viel Interessantes lernen. Ich denke, einerseits ist es natürlich ein Problem, wenn man Archivale, Schriftstücke, historische Dokumente aus dem Gebiet entfernt, wo sie entstanden sind.
Andererseits hat dieses Handeln, dieser Drang zum Zentralisieren schon im 16. Jahrhundert dazu geführt, dass sehr viele Schriftstücke, die das Salzkammergut betreffen und die lokal verloren gegangen sind, in diesem zentralen Archiv erhalten geblieben sind und heute eine sehr, sehr wertvolle und durchaus schöne Quelle der Geschichtsforschung darstellen.