Welterbe Hallstatt

Welterbe Hallstatt

Baukulturelles Erbe im Salzkammergut

Transkript

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[0:00]Ein Bauelement, das ich sehr interessant finde, ein Bauelement, das eigentlich schon sehr alt ist, das in den letzten Jahrzehnten vielleicht sogar ein wenig aus der Mode gekommen ist und jetzt wieder an Bedeutung gewinnt, das ist der Fensterladen oder, wie man in Ost- und Südösterreich auch sagt, der Fensterbalken oder auch die Jalousie.

[0:35]Das Wort Jalousie kommt, wie man ja unschwer erkennen kann, aus dem Französischen und bedeutet so viel wie Eifersucht. Das finde ich ein sehr schönes Bild. Ich stelle mir da so eine Jalousie mit diesen schräg gestellten Jalousiebrettchen vor und man kann ja, wenn man sehr nahe an die Jalousie herantritt, durch die Schlitze zwischen den schräg gestellten Brettchen nach außen hinunter blicken von einem Obergeschoss in einen Garten. Und vielleicht ist dann dort eine Szene, welche die Eifersucht erweckt, also die Möglichkeit des heimlichen Beobachtens. Aber das ist jetzt nicht der tiefere Grund für diese Podcast-Episode.

[1:30]Mir geht es eigentlich einerseits darum, kurz anzureißen, die Entwicklungsgeschichte, dass man Fensteröffnungen mit Holz verschließt, ist eigentlich die älteste Form des Fensterschlusses, Wenn wir sehr weit zurückgehen und diese ganz archaischen Bauformen, die finden wir teilweise noch auf den Almen und im Blockbau entsteht das Fenster so, dass man die Rundhölzer, aus denen diese ganz alten Blockbauten gezimmert sind, jeweils zur Hälfte einhackt. Das heißt, das untere Rundholz wird von oben zur Hälfte eingehakt, das obere Rundholz wird von unten zur Hälfte eingehakt, diese beiden Hälften werden übereinander gelegt und dann gibt es eine Öffnung etwa in der Höhe mit dem Durchmesser eines Rundholzes. Und diese...

[2:23]Lichtluken, diese ganz kleinen Öffnungen, die wurden mit Schiebebrettchen verschlossen. Also da gab es eine sehr einfache Nutführung und in dieser Nut konnte man ein Brettchen vorschieben und so war die Fensteröffnung verschlossen.

[2:39]Das ist zwar ein sehr guter Hitzeschutz, ein sehr guter Lichtschutz, aber es ist eben dann im Innenraum vollkommen dunkel. Dann hat sich natürlich im Laufe der Zeit das Fenster in seinen verschiedenen Typologien entwickelt und dann kommt im Salzkammergut im 19. Jahrhundert durch den aufkommenden Tourismus mit dem Villenbau, kommt dann eine für die Region neuartige Form des Fensterschlusses, die Jalousie wird ins Salzkammergut eingepflanzt und diese Villenarchitektur, also da gibt es klare Belege, zum Beispiel für die Jagdvilla des Habsburger Erzherzogs Karl Salvatore in Rangkirchen, Da heißt es in den Quellen eindeutig, es war geplant, es war die Absicht, die Villa im italienischen Stil zu bauen und zu diesem italienischen Stil, da gehört auch der Fensterladen, die Jalousie, eine technische Entwicklung aus heißen Gegenden, die es erlaubt, die Räume im Sommer abzuschatten und dennoch mit ausreichend Licht zu beleuchten.

[4:08]Und die Funktionsweise, die Konstruktion dieser Jalousien besteht darin, das eben an der Außenfassade eine Konstruktion angebracht wird. Im Regelfall sind da die Fensterstöcke Pfostenstöcke und auf diese Pfostenstöcke wird dann an der Fassade ein Blendrahmen aufgenagelt. Der ist falzbildend, das heißt, er ist etwas größer in seiner Innenlichte als der Fensterstock. Stock und dadurch entsteht dann, wenn der auf den Fensterstock aufgenagelt wird, ein Falz, welcher einen dichteren Schluss des Fensterladens erlaubt. Das ist ja im Salzkammergut, wo es eben nicht so warm ist wie in Italien, wo diese Form entwickelt wurde, da gibt es ja den saisonalen Wechsel. Das heißt, im Winter, in der kalten Jahreszeit, wird in diesen.

[5:11]Im Blendrahmen wird ein Winterfenster eingehängt und dann, wenn es wärmer wird, hängt man anstelle des Winterfensters die Jalousie ein. Also das ist letztlich eine sehr frühe Form einer adaptiven, einer saisonal adaptiven Gebäudehülle, die in ihrer Wirkungsweise jeweils an die baupysikalischen Bedürfnisse angepasst werden kann und darüber hinaus natürlich das Erscheinungsbild des Gebäudes signifikant verändert, so wie wir Sommer- und Winterkleidung tragen. Und so kann auch das Gebäude an die Jahreszeit adaptiert werden und eine weitere Adaptionsmöglichkeit, die besteht dann in diesen hochentwickelten Jalousien, wo man die Jalousiebrettchen entsprechend schräg stellen kann und damit je nach Bedürfnis einen ganz bestimmten Lichteinfall im Inneren des Gebäudes herstellen kann und natürlich auch einen entsprechenden Hitzeschutz. Wenn es jetzt tatsächlich so ist, wie manche Indizien darauf hinweisen.

[6:27]Dass wir immer wärmere Sommer auch im Salzkammergut erwarten können Und ich nehme jetzt diese Episode im Jahr 2024 auf und da gab es im Sommer tatsächlich einige Wochen, wo es wirklich heiß war und wo dieser Hitzeschutz auch im an sich kühlen Salzkammergut durchaus schon ein Thema war. Und darum, glaube ich, sind diese Jalousien eine Konstruktion, die sehr viel Zukunftspotenzial besitzen, einerseits vom Technischen und andererseits finde ich aber auch, dass sie durchaus auch eine ästhetische Qualität besitzen können. Ich habe mir einen alten Beschlägekatalog aus den 1930er Jahren durchgesehen und in diesem Beschlägekatalog da sind eben ganz spezielle Jalousiebeschläge angeführt und die Jalousiebeschläge, die sprechen für einen sehr hohen Entwicklungsstand, den man zu Beginn des 20. Jahrhunderts natürlich bereits erreicht hat. Und das sind eben alles Elemente mittlerer Technologien. Also da gibt es, das finde ich vielleicht fast den interessantesten Beschlag, das sind diese sogenannten Jalousiezüge.

[7:51]Das sind Metallstangen, die an der Innenseite der Jalousie angebracht sind. Und man kann dann diese Schiebestange auf- und abschieben und an jeden Jalousiebrettchen ist dann ein sogenanntes Jalousielappel angebracht. Und damit kann man mit einer Bewegung die Schrägstellung aller Jalousiebrettchen verändern. Und das finde ich, das ist ja das Geniale an diesen mittleren Technologien. Das ist nicht Low-Tech, das ist eigentlich etwas sehr, sehr Kluges, was sehr langlebiges, was gut funktionierend ist, aber auch in seiner Funktionsweise einfach Verstehendes. Man braucht keine Elektronik, man braucht keine Steuerung, man braucht keinen Sensor, wo man das auswählen kann, sondern man sieht, man versteht und man betätigt es mit Hand und es hat Lebenszyklen wirklich von mehreren Jahrhunderten. Und das traue ich mir tatsächlich sagen. Wir haben vor einigen Jahren in der HTBLA in Hallstatt Jalousien, einer Villa, der Chlumecky-Villa in Bad Aussee, renoviert.

[9:04]Konnten mit relativ wenig restauratorischen Eingriffen wieder vollkommen in Stand und in Funktion gesetzt werden. Und die waren zum Zeitpunkt der Restaurierung etwa 120 Jahre alt. Und ich bin überzeugt, dass die jetzt wieder einen Lebenszyklus von über 100 Jahren schaffen werden. Und vielleicht auch hier noch ein Detail, diese klassischen Jalousiekonstruktionen, und vielleicht soll ich die, wenn Sie es nicht vor Auge haben, doch noch ein bisschen besser beschreiben. Das ist eine klassische Rahmenkonstruktion.

[9:42]Diese Rahmen sind im Regelfall mit einer sogenannten Schlitz- und Zapfenverbindung verbunden und in diesen Rahmen sind jetzt diese Jalousiebrettchen eingefügt und zwar der Gestalt, dass an jedem Jalousiebrettchen links und rechts ein hölzerner Zapfen ist Und in der Rahmenkonstruktion, in den vertikalen Friesen, sind dann entsprechende Bohrungen eingebracht, wo man diese Zapfen hineinstecken kann, sodass jedes Jalousie-Brettchen drehbar ist und dann mit Hilfe des Jalousie-Zuges bewegt werden kann. Die Rahmenkonstruktion, die Schlitz- und Zapfenkonstruktion, die ist aber nicht verleimt. Und das finde ich besonders spannend. Die ist einerseits mechanisch mit Holznägeln verbunden. Und diese Holznägel sind wiederum konisch. Die kann man dann mit Hilfe eines Splintentreibers, wenn man es in die richtige Richtung schlägt, also von klein nach groß, relativ leicht entfernen. Und man kann dann zu Restaurierungszwecken die Rahmenkonstruktion auseinandernehmen, möglicherweise schadhafte Teile ergänzen, das Ganze neu streichen und da ist natürlich ein Anstrich mit Leinölfarbe optimal. Und ich glaube, zu diesen Leinölfarbenanstrichen, da werde ich einmal eine eigene Episode machen.

[11:09]Und die Beschläge, die dazu verwendet werden, das sind sogenannte Winkelbänder bzw. Scheinhaken. Also das sind L-förmige Beschläge, die auf die Rahmenkonstruktion aufgeschraubt werden. Und dadurch ist natürlich der ganze Rahmen biegesteif.

[11:29]Vielleicht hier auch noch, wenn Sie das selber einmal restaurieren, da gibt es etwas sehr Gemeines. Es gab im 19.

[11:36]Jahrhundert ein Befestigungsmittel, der sogenannte Scheinhakenstift. Und mit diesen Scheinhakenstiften wurden dann die Winkelbänder und die Scheinhaken auf die Rahmenkonstruktion aufgenagelt. Und dieser Scheinhakenstift, das ist ein Drahtstift, dessen Kopf aber die Druckgestalt einer Schlitzschraube besitzt. Also man schaut sich das an und glaubt, das ist eine Schlitzschraube. Es ist natürlich völlig vergeblich zu versuchen, mit dem Schraubendreher die herauszuschrauben, weil dieser Drahtstift kein Gewinde besitzt. Also die muss man dann auch mit der Beißzange herausziehen. Es gibt auch Jalousie-Konstruktionen in zwei Ebenen, dass auf dem Jalousie-Flügel ein kleinerer Flügel noch einmal beweglich anmontiert ist. Das heißt, man muss dann nicht das ganze Fenster, die ganzen Jalousien öffnen, sondern man kann zum Beispiel nur ein Viertel des Fensters öffnen und drei Viertel bleiben zu. Und diese tollen Konstruktionen erlauben wirklich eine ganz, ganz individuelle Steuerung und eben dann auch noch, wie ich es ja bereits angeführt habe, mit Hilfe des Jalousiezuges eine entsprechende Schrägstellung der Jalousiebrettchen. Ich denke...

[13:05]Dass es mit der Wiederimplementierung dieses Bauteils gelingen kann.

[13:12]In der heißen Zeit sehr deutliche Kühleffekte in den Innenräumen zu erreichen. Und da kommt auch noch ein weiteres biophysikalisches Faktum dazu. Holz hat ja die wunderbare Eigenschaft, dass Holz extrem viel Energie einspeichern kann. Das heißt, ein Kilogramm Holz kann etwa dreimal so viel Energie einspeichern als ein Kilogramm Ziegel. Das heißt, wenn jetzt diese Jalousie, diese Jalousiebrettchen, diese Konstruktion besonnen wird, dann wird zu Beginn erst einmal die äußere Oberfläche warm. Und dann dauert es aber einige Stunden, bis diese Temperatur an der Innenseite der Jalousie ankommt weil Holz durch seine Wärmespeicherfähigkeit den Wärmedurchgang entsprechend verzögert. Ganz anders, wenn man eine solche Jalousie etwa aus Aluminium fertigt, wo ja Aluminium eine sehr hohe Wärmeleitfähigkeit besitzt, da kommt die Außentemperatur extrem schnell an der Innenseite an. Das heißt, auch das spricht für die hölzerne Jalousie ein Gegenargument, das manchmal angeführt ist, das ist.

[14:31]Die Arbeit des Jalousiewechselns, dass man eben die Winterfenster mit den Jalousien tauscht. Aber da denke ich, man könnte ja das Ganze auch als Sport betrachten. Man könnte ja sagen, das mache ich, ich nehme mir die Zeit und das ist eine körperliche Betätigung. Und auch da gilt es, bei diesen alten Jalousien sehr genau zu schauen. Da ist es der Regelfall, dass sowohl am Fensterstock als auch auf der Jalousie, als auch in den sogenannten Winterflügeln vom Tischler in jedem Bauteil eine römische Zahl mit dem Stemmeisen eingestemmt ist, sodass man weiß, welcher Flügel zu welchem Fensterstock gehört.

[15:22]Damit die ja sehr genau zusammenpassen. Und man kann natürlich diesen saisonalen Wechsel auch immer als Anlass für einen Service nehmen. Und wenn das Winterfenster, wenn die Jalousie einen Leinölanstrich besitzt, dann kann man im Rahmen dieses Wechsels auch ganz einfache Pflegemaßnahmen durchführen, etwa mit einem in Leinöl gedrängten Lappen das Bindemittel Leinöl des Anstrichs wieder erneuern und so schafft man dann Lebenszyklen für einen gut funktionierenden Bauteil.

[16:03]Der sehr schön ist und Lebenszyklen, die über Jahrhunderte reichen.

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Über diesen Podcast

Das Welterbegebiet Hallstatt-Dachstein/Salzkammergut ist eine einzigartige Kulturlandschaft mit einem reichen baukulturellen Erbe. Mein Name ist Friedrich Idam und ich stelle ihnen in jeder Episode eine neuen Aspekt unseres Welterbes vor. Dieser Podcast wird von Welterbe - Management Hallstatt unterstützt.

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von und mit Friedrich Idam, Gestaltung: Reinhard Pilz

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