Welterbe Hallstatt

Welterbe Hallstatt

Baukulturelles Erbe im Salzkammergut

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Hallstatt – Leben und Sterben

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Ich lese zurzeit eine Streitschrift gegen den Ausverkauf der Städte, die der italienische Kunsthistoriker Salvatore Settis geschrieben hat.

Er stellt sich im Titel die Frage, wann Venedig stirbt, also was ist notwendig, welche Umstände führen dazu, dass ein Ort, eine Stadt stirbt. Und bei der Lektüre dieses Buchs sind mir sehr viele Parallelen zur Hallstatt aufgefallen. Und ich denke, es besteht wirklich eine große Gefahr, wenn die touristische, die massentouristische Entwicklung so weitergeht.

Dass einmal Venedig stirbt und dass einmal Hallstatt stirbt. Eine der Grundideen in diesem Buch Settis ist die Unterscheidung zwischen der gebauten Stadt und der immateriellen Stadt, also mit den lateinischen Begriffen Urbs, die gemauerte Stadt, der materielle Bestand und Civitas, der Geist, die Seele, die Idee einer Stadt. Und Setis meint, es müsste einfach ein Gleichgewicht einerseits zwischen dem materiellen Bestand und der Seele der Stadt und die Seele, das sind natürlich die Bewohnerinnen und Bewohner. Und ähnlich wie in Venedig, wo ein laufender Entvölkerungsprozess des historischen Stadtzentrums stattfindet, so läuft hier in Hallstatt ein ganz ähnlicher Prozess ab.

Die historischen Häuser werden immer weniger von Familien bewohnt, von jungen Menschen bewohnt, die diesen Geist, die diese Seele der Stadt bilden und die touristische Nutzung dieses historischen Kerns nimmt immer mehr überhand. Und Settis zitiert hier einen antiken Autor Plutarch, der so um die Zeitenwende geschrieben hat. Und Plutarch vergleicht die Stadt mit einem Organismus, mit einem Menschen. Die Stadt ist natürlich im Laufe der Zeit Entwicklungen unterworfen. Sie verändert sich. Genauso wie wir als Kind geboren werden, aufwachsen, größer werden.

Altern, wir verändern uns und trotzdem bleiben wir dasselbe Mensch. Also zur Realität, zur Wirklichkeit der Stadt, gehört auch die Veränderung. Aber die Veränderung funktioniert nur dann, wenn sie nach bestimmten Mustern, Settis nennt das sehr schön, die DNA, das Erbgut einer Stadt. Und da denke ich beim Baulichen, es ist natürlich immer passiert und es ist notwendig, Dass sich ein Ort, eine Stadt verändert, dass im Laufe der Zeit anders gebaut wird.

Andere Bauideen, andere Bedürfnisse. Und wenn ich mir jetzt die bauliche DNA von Hallstatt anschaue, so denke ich, ist das, was über Jahrhunderte passiert ist. Und eigentlich kann man in Hallstatt von Jahrtausenden sprechen. Wenn ich mir Blockbauten ansehe, welche von Archäologen im Salzberghochtal ergraben werden, von Blockzimmerungen, wenn ich mir diese Blockzimmerungen ansehe, diese Abdichtungen mit Moos, wenn ich mir die prähistorischen Schindeln ansehe, da gibt es eine DNA, die sich in Hallstatt über Jahrtausende erhalten hat, lokale Rohstoffressourcen nutzen.

Das Holz, das Moos, das Torfmoos, dann kommen irgendwann einmal die Römer, führen die Kalktechnik ein, aber auch hier wieder die Kalksteine werden lokal entnommen.

Der Kalk wird mit lokalem Brennstoff lokal produziert und es wird von den Menschen im Ort handwerklich produziert. Und das, denke ich, das ist die DNA, dieses mit lokalen Materialien selber bauen. Und die DNA hat sich durchaus verändert oder da hat es vielleicht ab der Mitte des 20. Jahrhunderts den Riss die Zäsur gegeben, wo dann auf einmal die industriellen Baustoffe kommen, die mit der lokalen DNA nichts zu tun haben. Aber der zweite und das denke ich ist der wesentliche Faktor, ist das, was in diesem Ort passiert. Und seht, es nennt hier ein sehr schönes Beispiel aus Japan, der sogenannte Iser-Schrein, das ist das zentrale Heiligtum der Shinto-Religion. Und da gibt es uralte Reinigungsriten und dieser Shinto Schrein, dieser Tempel, eine wunderschöne, händisch, ganz traditionell gefertigte Holzkonstruktion. Die wird alle 20 Jahre abgerissen, rituell zerstört und wieder neu aufgebaut. Der Neubau, der funktioniert nach den uralten, überlieferten Handwerkstechniken. Das Holz wird händisch gefällt.

Es werden die Holzverbindungen händisch hergestellt. Und vom alten Tempel wird lediglich eine Säule, das ist immer eine andere, in den neuen übernommen. Und es gibt immer den Bauplatz, wo gerade der Ise Schrein steht und daneben leere Fläche, wo der Nächste errichtet wird. Also dieses Wechselspiel von bebaut und unbebaut, von alt und neu und in dieser östlichen Tradition gilt der natürlich als der Originale. Diese Frage stellt auch Plutarch. Er berichtet von einer athenischen Tradition vom Schiff des Theseus, das ist jener Antike Held, der nach Kreta gesegelt ist, dort den Minotaurus besiegt hat und mit Hilfe der der Ariadne das Labyrinth wieder verlassen konnte. Und dieses Schiff des Theseus, das wurde in Athen aufbewahrt und natürlich im Laufe der Zeit verfaulten Planken, es wurden neue Planken eingesetzt. Und dann stellte sich irgendwann einmal die Frage, ja, ist das noch das originale Schiff? Das ist eine ganz ähnliche Frage wie bei diesem japanischen Ise Tempel.

Es ist nicht mehr das identische Material, aber es ist die gesamte Form, die Forma Urbis, also dieser Plan, dieses Konzept, das ist immer noch gleich. Und das Entscheidende ist ja die Idee, das ist die Geschichte, die man sich über Theseus erzählt. Es ist die Shinto-Religion in Japan, die in diesem Tempel stattfindet. Und das ist die Seele und das ist der Geist. Und genau das, da habe ich mich von der Argumentation Settis überzeugen lassen, das ist diese Seele einer Stadt und was wir auch hier in Hallstatt brauchen, das sind Menschen, die behutsam die Gebäude, die gebaute Stadt verändern, in der Tradition, aus der Tradition kommend, aber auch immer wieder Neues einweben. Genauso wenn ein Haus einmal zerstört wird. Es gibt ja noch im Parzellengefüge genau den Platz, wo das Haus gestanden ist. Die Nachbarhäuser bestimmen ja die Fläche, wo man bauen kann. Das neue Haus nimmt wieder diese Stelle ein. Aber der Ort lebt nur dann solange echte Bewohnerinnen und Bewohner in diesem Ort leben und auch Geschichten über diesen Ort erzählen, Traditionen pflegen, Traditionen langsam im Lauf der Zeit verändern, aber eben belebend, lebend in dieser steinenden Hülle sind. Und vielleicht ist auch dieser Podcast ein ganz, ganz kleiner Beitrag, wo ich versuche, Geschichten aus der Geschichte Hallstatt zu erzählen, was vielleicht ein Mosaikstein ist, diese steinerne Hülle mit Leben zu füllen. Und ich hoffe, wenn wir uns darauf besinnen, wenn wir den Ort nicht restlos vermarkten, sondern ihn bewohnen und beleben, dann wird dieser Ort, werden diese Orte weiter bestehen.

Über diesen Podcast

Das Welterbegebiet Hallstatt-Dachstein/Salzkammergut ist eine einzigartige Kulturlandschaft mit einem reichen baukulturellen Erbe. Mein Name ist Friedrich Idam und ich stelle ihnen in jeder Episode eine neuen Aspekt unseres Welterbes vor. Dieser Podcast wird von Welterbe - Management Hallstatt unterstützt.

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von und mit Friedrich Idam, Gestaltung: Reinhard Pilz

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