Baukulturelles Erbe im Salzkammergut
Die heutige Episode von Welterbe Hallstatt ist eine Ergänzung zu der Episode, wo es über den untertägigen Einbau von Lehm in den Salzbergwerken geht. Ich habe mich in dieses Thema weiter vertieft, habe dabei sehr große Unterstützung einerseits von dem Bergmann in Ruhe Johann Unterberger und dem Leiter des Salinenarchivs Thomas Nussbaumer bekommen. Thomas Nussbaumer ist gerade dabei, das erste Reformationslibell, eine Handschrift aus dem Jahr 1524, Buchstabengenau zu übertragen und ist dabei auf sehr, sehr viele neue Erkenntnisse gestoßen, die er großzügigerweise mit mir geteilt hat. Und wenn man sich jetzt diese Texte aus dem frühen 16. Jahrhundert ansieht, so wird zu diesem frühen Zeitpunkt sprachlich schon sehr genau zwischen Laim, also "Loam" im Dialekt, und Letten (Ton) unterschieden. Und alle Stellen, die sich auf den Lehm, auf den Laim beziehen, die beziehen sich auf einen obertägigen Einbau. Also es ist hauptsächlich die Verwendung bei der Salzpfanne. Da geht es darum, diese Salzpfanne war ja, wie ich in den Episoden über das Pfannhaus ja schon berichtet habe, einer sehr großer Belastung durch die Hitze ausgesetzt. Die Pfannstücke, die Bleche verwarfen sich, verzogen sich in der Hitze. Die Pfannsteher aus Stein, auf denen diese Pfanne ruhte, die brannten zu Kalk, zu Calciumoxid, und da ist in diesen Reformationslibellen, das ist jetzt hauptsächlich im sogenannten zweiten Reformationslibell, auch das liegt als Buchdruck im Salinenarchiv in Bad Ischl und da konnte ich auch Einsicht nehmen. Und bei diesen Textpassagen geht es darum, dass diese dem Feuer extrem ausgesetzten Bauteile mit Lehm zu überziehen sind. Und das ist ja letztlich genau die Anwendungsweise, wie man es heute im Kachelofenbau macht, wie es die Hafner machen. Und da geht es um diese stark abgemagerten Tone. Das heißt, auch heute noch spricht man, wenn ein Ton abgemagert ist, von Lehm. Also abmagern bedeutet, man vermischt den Ton mit Sand. Dadurch verändert sich sein Gefüge, vor allen Dingen schwindet er nicht mehr so stark und wenn er dann dem Feuer ausgesetzt ist, dann bekommt er auch nicht so starke Risse und hält länger. Und da hat sich auch für mich wieder ein sehr schöner Beweis geschlossen. Ich habe mich ja schon vor einigen Jahren mit einem Hallstätter-Inventar aus dem Jahr 1526 beschäftigt. Ich glaube, zu diesem Inventar sollte ich wirklich einmal eine eigene Episode dieses Podcasts machen. Und in dem Inventar werden auch zwei Steinbrüche erwähnt, ein roter und ein weißer Steinbruch. Und diese roten und weißen Steine, das zieht sich in den Dokumenten über die Jahrhunderte durch bis Mitte 18. Jahrhundert. Da sind auf den Plänen unterhalb der Pfanne immer noch rote und weiße Steinsteher eingezeichnet. Und dieses Steinmaterial, und das geht aus den Quellen hervor, das ist im Inventar, da gibt es auch eine Stelle, wo es heißt Rot Stein in der Zille. Also die sind über den See gebracht worden. Und jetzt in diesem Reformationslibell gibt es tatsächlich wieder eine Ergänzung, wo es auch heißt:
Der Rotsteinbrecher soll allen kleinen Laim ( Lehm), so viel man dessen unter beider Pfannen bedarf, selbst mit seinen Gehilfen gewinnen und zum Wasser in die Zillen bringen. Also auch hier wieder die Bestätigung dieses Steinbruchs über dem See, ich vermute den entweder sehr wahrscheinlich in Obersee oder in Untersee. Das deckt sich auch mit der geologischen Formation des Sarsteins.
Wir haben ja im Jahr 2024 für die europäische Kulturhauptstadt, wurde ja in Bad Goisern am evangelischen Friedhof eine Gedenkstätte aus Stampflehm gebaut. Und da stammt der Lehm auch vom Sarsteinbereich, von dem Steinbruch auf der Pötschenhöhe. Das heißt, in diesen geologischen Formationen kommt eben stark mit Steinen durchsetztes Lehmmaterial vor. Und hier galt es offenkundig, den Lehm-Obertage in dem Steinbruch zu gewinnen und mit dem Stein über den See in den Zillen zu dem Pfannhaus zu bringen und damit die dem Feuer ausgesetzten Teile der Pfanne zu überziehen, zu schützen.
Dann gibt es aber auch noch einen zweiten Hinweis und das ist eben der feine Lehm, der feine Laim. Und dann gibt es auch noch den groben Leim und die Stelle finde ich sehr interessant im zweiten Reformationslebet. Da wird tatsächlich ein Ofenbauer erwähnt. Also da heißt es wörtlich: mit Wolfgang Tharleutner, Ofenleger ist beschlossen, dass er beide Pfannen der Notdurft nach mit groben Laim (Lehm) versehen und nämlich denselben gewinnen und auf seine Unkosten zu den Pfannhäusern zu liefern.
Das finde ich auch sehr spannend, dass hier in der Mitte des 16. Jahrhunderts schon ein Techniker namentlich genannt wird. Das ist, denke ich, so schön für diesen Aufbruch, für diesen Beginn der Neuzeit, dass auf einmal Unternehmerpersönlichkeiten, Techniker, so wie Thomas Seeauer der Alte, der die Seeklause und die Schiffbarmachung der Traum konzipiert hat. Und da gibt es eben auch einen Ofenleger. Also man holt sich Fachleute, welche hier ihr technisches Wissen einsetzen und hier Obertage mit stark abgemagerten, hier sogar mit grobem Material abgemagerten Lehm verwenden können. Und offenkundig, wenn es zu stark war, zu grob, gibt es auch noch einen Hinweis im zweiten Reformationslibell, wo eine Stelle, wo es übers Laim (Lehm) abmühlen geht, also wo der "Laimb zermillt" (Lehm zermahlen) und zur "Notdurft der Stuck" hergerichtet wird. Also die Stuck, das sind diese Metallteile, diese handgeschmiedeten Bleche, da habe ich ja auch schon in vergangenen Episoden berichtet, die sind feuerseitig, offenkundig mit Lehm überzogen worden. Und da wurde ganz offenkundig, wie es aus diesen Quellen hervorgeht, "zermillter", zermahlener Lehm, aufbereitet. Und es wurden je nachdem verschiedene Lehmsorten mit entweder gröberen oder feineren Zuschlägen verwendet. Also hier Obertage im 16. Jahrhundert schon eine sehr komplexe Verwendung des Lehms.
Anders sieht es aus Untertage. Da wird durchgehend in beiden Reformationslibellen, also von 1524 und 1563 immer der Begriff Letten (Ton) verwendet. Und da gibt es im ersten Reformationslibell einen Hinweis, den hat der Johann Unterberger gefunden, dass die Sohle der Stollen mit Müß (Torfmoos, Spaghnum) und Letten (Ton) ausgestoßen und verschlagen werden sollte. Und da geht es bei diesen Stollen um die sogenannten wasserführenden Strecken, also das sind, Bergwerksstollen, wo von Obertage unkontrolliert Wässer eindringt, und es gilt, diese Wässer aus dem Bergwerk auszuleiten und da ist es natürlich absolut notwendig, die Sohle, den Boden der Stollen entsprechend abzudichten. Sonst würde ja dieses Wasser, das hier im Stollen fließt, den Grund, die Sohle des Stollens ausspülen und hier unerwünschte Laugeffekte erzielen. Sehr spannend finde ich es, dass hier der Hinweis auf das Moos, also es steht letztlich Müß (Torfmoos, Spaghnum), ist natürlich Dialektal das Mias. Und da gibt es auch eine sehr gute Quelle aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. Das sind die Nennwörter Vasolds. Das ist ein Wörterbuch, wo alle Fachbegriffe aus dem ganzen Bergbau, aus dem Schiffwesen, aus dem Forstwesen aufgelistet sind. Und da wird auch dieses Müß (Torfmoos, Spaghnum) erwähnt, wird explizit wieder dieses Rote Müß, was ein ganz eindeutiger Hinweis auf Torfmoos, auf Sphagnum ist. Und ich habe in einer Episode, wo es um diese prähistorischen Abdichtungen gegangen ist, schon die Vermutung geäußert, dass möglicherweise hier auch schon in prähistorischer Zeit Torfmoos zum Einsatz kam. Es gibt immer noch keinen paläobotanischen Befund. Also sobald ich den habe, werde ich natürlich eine Episode gestalten, aber hier, erste Hälfte 16. Jahrhunderts ist schon belegt, der Letten (Ton), also dieser sehr fette Ton, auch im Bergwerk, der wird nicht abgemagert, der wird mit Mias, mit Torfmoos, mit diesem langfaserigen Torfmoos noch vermischt. Es entsteht letztlich ein Kompositwerkstoff und dieses Torfmoos wurde ja über Jahrhunderte zu Dichtungszwecken verwendet. Also da wurden die Zillen abgedichtet, da wurden die Sulzstuben (Solebehälter) damit abgedichtet. Also ein sehr, sehr spannendes Material. Es ist jener Naturstoff, jenes Moos, das in seiner Verrottung die Moore bildet, also die Hochmoore, Die sind verrottetes Torfmoos, Sphagnum und da gibt es auch einen ganz anderen interessanten Zusammenhang, weil ja diese Letten (Ton), die unter Tage verwendet wurden, natürlich nach Möglichkeit aus den Laugwerken entnommen wurden. Also das sind mit Salz versehene Tone oder mit Salz angereicherte Tone. Das war für diese ganzen Verschlagarbeiten insofern notwendig, weil die laugten dann nicht mehr so stark. Wenn man den Ton mit Frischwasser anfeuchtete, dann war das natürlich wieder Potenzial, das wieder auslaugen konnte und in den Kontaktflächen zwischen Ton- und Haselgebirge wieder Spalten schaffen würde. Also da wurde ganz bewusst Letten (Ton) verwendet, der schon salzig war, beziehungsweise auch das wissen wir aus den Manipulationsbeschreibungen aus dem frühen 19. Jahrhundert, wenn dieser Letten (Ton) entsprechend aufbereitet werden musste unter Tage, dann wurde der mit Sole befeuchtet. Das auch hier, um ihn salzig zu machen. Und ich vermute, dass in diesem Klima des salzigen Letten (Ton) der organische Zusatzstoff, diese organische Armierung, diese Fasern des Torfmooses in diesem salzigen Milieu sich relativ lange gehalten haben, nicht verrottet sind, sondern in dieser feuchtsalzigen Tonmatrix trotzdem noch aufgequollen sind und zusätzliche Abdichtungseffekte erzielt haben.
Also Sie merken, wenn man da ein bisschen in die Tiefe geht, ein bisschen in den Quellen, in den Primärquellen recherchiert, da kommt immer mehr zu Tage, wie die Hallstätter Bergleute schon vor Jahrhunderten sehr gut in der Lage waren, mit den Rohstoffen, die regional zur Verfügung gestanden sind, sehr hochwertige, sehr dauerhafte und letztlich auch sehr nachhaltige Lösungen für technische Probleme zu finden.