Welterbe Hallstatt

Welterbe Hallstatt

Kulturelles Erbe im Salzkammergut

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Ich beschäftige mich aktuell mit der Situation in Hallstatt in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Es sind ja ein paar der vergangenen Episoden ebenfalls in diesem Themenfeld. Heute geht es wiederum um drei Quellen. Das ist einerseits das zweite Reformationslibell von 1563 und andererseits sind es die beiden Hallstätter Inventare von 1526 und 1540. Mit diesen drei Quellen, denke ich, kann man sehr schön ein doch sehr genaues Schlaglicht auf diese erste Hälfte des 16. Jahrhunderts werfen.

Zusammengefasst, was war die Situation? Die große politische Situationen, dazu gibt es eine Episode, da werde ich wie immer in die Shownotes einen Link dazustellen. Erzherzog Ferdinand ist es gelungen, die Salzmärkte von Böhmen und Ungarn zu erobern. Sein Großvater Maximilian I. hat ihm sehr große Staatsschulden hinterlassen. Es galt also über das Salz, über den Salzverkauf, über die Salzsteuern, das Salzgefäll, die Staatsfinanzen wieder in Ordnung zu bringen. Neue Absatzmärkte waren eben mit Böhmen vor allen Dingen und Teilen von Ungarn vorhanden und nun galt es, die Produktion hochzuschrauben. Dazu war es erforderlich, den Betrieb in Hallstatt wieder in Gang zu bringen. Das heißt, zur Zeit, wo die Beamten Ferdinands diesen Betrieb übernommen haben, war der wirklich heruntergewirtschaftet. Wir wissen aus der Quelle vom ersten Reformationsrebell von 1524 auch, in welchem desolaten Zustand die Gebäude im Markt waren, die Pfannen, da waren wirklich Investitionen notwendig. Und es musste mehr Salz produziert werden. Da gab es natürlich auch wieder unterschiedliche Interessen, vor allen Dingen von Seiten von der Ausseer Salzproduktion. Der damalige sehr mächtige Salzamtmann in Aussee, Praunfalck, der hat eigentlich eine Zeit lang zumindest die Errichtung einer zweiten Pfanne in Hallstatt zu verhindern versucht. Es wurde aus Ausseer Salz über den Pötschenpass nach Lauffen gebracht, also die Fuder wurden von Aussee am Landweg nach Lauffen gebracht und dort „gefertigt“, verpackt und in den Verkehr gebracht. Aber das hat dann auch nicht mehr ausgereicht und so wurde eben 1532 in Hallstatt eine zweite Pfanne errichtet, die etwa die Hälfte der Größe der alten, der großen Pfanne besaß. Dazu gab es im Markt einige Umbauarbeiten. Es musste die Hofschmiede abgebrochen werden und an einem neuen Standort wieder errichtet werden, um in diesem engen Gefüge des Marktes diese zweite Pfanne unterzubringen.

Ein weiteres Problem bei diesen Pfannen war die Haltbarkeit der Steinsteher. Die sehr große Pfanne, also da geht es um eine Größenordnung von etwa 300 Quadratmetern bzw. 150 Quadratmetern Pfannenfläche, die würde sich ja, wäre die nicht unterstützt, unterstellt, durchbiegen. Und im Feuerungsraum stand quasi ein ganzer Wald von steinernen Stützen, die sogenannten Pfannsteher, welche die Pfanne trugen. Wenn die natürlich diesem starken Feuer ausgesetzt waren, brannte der Kalkstein zu Kalk und die Steinsteher gingen nieder. Daher hat sich schon eine Technologie entwickelt, dass man diese Pfandsteher mit feinem Lehm überzogen hat. Und jetzt komme ich auf den Kern der heutigen Episode auf diese beiden Steinbrüche, Roter und weißer Steinbruch. Ich habe schon in einer vergangenen Episode darüber erzählt und jetzt möchte ich die Unterschiede in der Entwicklung, wie sich der Betrieb entwickelt hat, das lässt sich an diesen Inventaren 1526, 1540 ablesen. In der ersten Episode über den Steinbruch habe ich ja schon die Frage gestellt, auch an Sie als Hörer, ob Sie eine Idee haben, wo dieser Steinbruch sein könnte. Ich bin jetzt im zweiten Reformationslibell doch auf ein interessantes Indiz gestoßen, dass es in Obertraun im Bereich des Koppenwinkels einen roten Graben gibt. Diese Flurbezeichnung lässt sich bis ins 19. Jahrhundert nachweisen. Und dieser rote Graben ist natürlich ein Hinweis auf einen roten Stein. Das heißt, ein roter Graben wird er benannt nach der Farbe der Gesteinsformation. In beiden Inventaren wird auch bei diesem roten Steinbruch ein Wagen angegeben. Es heißt da wörtlich: „ein Wagen, darauf man die Steine zum See führt“. Das ist beim weißen Steinbruch nicht angeführt, dieser Wagen. Also das ist für mich ein Indiz, dass dieser rote Steinbruch weiter vom See weg ist. Ob das jetzt tatsächlich im Obertrauner Koppenwinkel war - es ist ja dann doch schon ein relativ weiter Landweg für den Steintransport - das ist noch nicht geklärt. Vielleicht weiß jemand von den Zuhörern, ob es in Obertraun im Koppenwinkel bei diesem Roten Graben Reste eines alten Steinbruchs gibt? Wäre sicher sehr spannend, diesen Steinbruch lokalisieren zu können. Es finden sich auch über diese Steinqualität sehr interessante Angaben. Dieser rote Stein wird zumindest bis 1526 als feuerbeständiger beschrieben, während dann im Reformationslibell von 1563 schon geklagt wird, dass der neu gebrochene rote Stein nicht mehr so feuerbeständig ist. Also es wird geschrieben, man hat so viel Bedarf an diesem roten Stein, man hat diesen Steinbruch so tief vorgetrieben und das Material, was dann zutage trat, was dann gebrochen wurde, nicht mehr die Qualität besaß wie der den Jahrzehnten zuvor gebrochene rote Stein. Was mir auch aufgefallen ist, beim roten Steinbruch wird auch darüber berichtet, dass dort der kleine, also in der Bedeutung der feine Lehm vorhanden ist. Also es ist Stein- und Lehm vorhanden und es gibt auch mehrmals den Hinweis, die Steine dürfen nicht im Winter gebrochen werden und dürfen nicht bei nassem Wetter gebrochen werden. Sie müssen, wenn sie dann über den See nach Hallstatt transportiert werden, sofort wieder unter Dach in einer Hütte beim Pfannhaus gelagert werden, damit sie nicht frieren und brechen. Und dieses Lehmvorkommen, diese Frostempfindlichkeit des Steins sind für mich Indizien, dass dieser Stein mergelig ist, dass der Toneinlagerungen besitzt, was ihn einerseits frostempfindlich macht, ihn andererseits aber durch diese eingelagerten Tonmineralien offenkundig auch feuerfester als den weißen Stein, wo das nicht der Fall ist und auch wo dieses Thema nicht angesprochen wird. Es ist schon logisch, dass dann, wie eben so viel von diesem Stein gewonnen wurde, um eben auch bei der zweiten Pfanne entsprechend Pfannsteher zur Verfügung zu haben, dass man dann auf Vorkommen gestoßen ist, die nicht mehr diese Qualität hatten, wie die ursprünglich verwendeten.

Ich habe jetzt diese beiden Inventare von 1526 und 1540 gegenübergestellt, Vielleicht auch noch ganz kurz, warum sind die überhaupt entstanden? Sie sind jeweils gemacht worden zu dem Zeitpunkt, als ein neuer Hofschreiber seinen Dienst angetreten hat. 1526 hat Michael Weichselpamer den Dienst angetreten, hat genau vermerkt, was ist da und das war die Zeit, wo es sehr kritisch war, wo die wirtschaftliche Situation schlecht war. Als dann 1540 Weichselpamer vom Dienst austrat und Georg Stoppl Hofschreiber wurde, da wurde wieder ein Inventar angelegt und da kam auch der Salzamtmann Hans Wucherer von Gmunden und der hat gemeinsam mit dem neuen angehenden Hofschreiber genau aufgenommen, was da ist. Und ich habe mir jetzt das Vergnügen gemacht, diese beiden Inventare zu vergleichen.

Und da sind zuerst beim weißen Steinbruch aufgezählt die Eisenschlägel mit 2. Und die sind auch 1540 noch 2 geblieben. Bei den Zweispitzen, da ist schon eine Steigerung von 6 auf 9. Von den Keilen auch von 6 auf 9. Die Platteln, auf die man die Keile auflegen kann, sind von 20 auf 33 gestiegen. Beim Schellhammer, das ist jener Hammer mit dieser scharfen Schneide, mit dem man Steine spalten kann, der heißt 1526 noch Pschlachthammer und heißt 1540 Schellhammer. Also da hat sich auch die Begrifflichkeit verändert. Da sind auch Zween da und auch die Zahl der Eisenstangen ist mit Zwo gleich geblieben. Und da sieht man sehr schön in diesem Inventar, dass das Zahlwort Zwei nach dem Genus mit Zwei, Zwo und Zween variiert wird. Das heißt, wenn es Neutrum ist, zum Beispiel das Riegeleisen heißt zwei ausgeschrieben, bei den Eisenstangen die Eisenstange Femininum zwo. Der Eisenschlägel, da heißt es zween. Diese Variation des Zahlworts, die hört man ja zum Teil noch bei alten Dialektsprechen und ich finde es sehr schön, dass es im 1540er Inventar tatsächlich verschriftlicht ist. Was dann 1540 schon neu dazukommt, sind die Kratzen. Kratzen, das ist ein Werkzeug, das kommt, natürlich kommen diese Werkzeuge alle aus dem Bergbau, wo man das Hauklein in einer ziehenden Bewegung zusammenziehen kann. Es gibt Kratzen, Spitzkratzen, flache Kratzen, die hat es vorher nicht gegeben. Was auch neu kommt, ist eine Grabschaufel und Rigeleisen.

Bei der Suche nach der Funktion des Riegeleisens bin ich in einschlägigen Fachlexika in Werkzeugkatalogen nicht fündig geworden. Dann habe ich weitergesucht auf der sprachlichen Ebene. Immer wenn ich Dialektwörter nicht kenne, dann konsultiere ich das Bayerische Wörterbuch von Johann Andreas Schmeller, das im frühen 19. Jahrhundert geschrieben worden ist und der Dialekt des Salzkammerguts, der gehört ja auch zu den bayerischen Mondarten. Und da bin ich auf den Begriff „riegeln“ gestoßen. Rigeln kommt in seiner Bedeutung daher, dass man etwas Festes locker macht. Also eigentlich, es rege machen, so wie man sagt, etwas regt sich und da kommen wir mit rigeln, also mit es rege machen, es bewegend machen, es locker machen. Sprachlich ist es das sogenannte Iterativ, das ist diese „eln“ Endung, das haben wir auch zum Beispiel in Hobeln, in Raspeln, wenn man eine Tätigkeit immer wieder macht. Und das weiß ich aus meiner eigenen Erfahrung beim Steinbrechen im eigenen Haus. Wenn man aus dem Verband einen Stein herausbrechen will, dann nimmt man entweder als sehr großen, langen Hebel die Eisenstange oder daneben habe ich auch oft verwendet ein kürzeres Hebelwerkzeug, heute auch als Geißfuß bekannt, wo ich dann mit dem Werkzeug in eine Kluft gefahren bin und dann durch immer wiederkehrende Hebelbewegungen den Stein gerigelt habe, also ihn gelockert habe. Und wenn dieser Arbeitsprozess erfolgreich war, dann war dieser Stein „rogel“. Wenn etwas rogel ist, das ist, glaube ich, wird durchaus noch im Dialekt verwendet, wenn etwas nicht mehr festhält, wenn etwas locker ist. Und ich bin mir jetzt eigentlich sehr sicher, dass das Rigeleisen ein kurzes, vielleicht 60 cm langes Hebeleisen ist, um kleinere Steine, wo sich schon Klüfte zeigen, durch eine wiederkehrende Hebeltätigkeit zu lockern.

Ähnlich beim Roten Steinbruch, wo allerdings die Zahl der Eisenschläge schon von drei auf sechs steigt, die Zahl der Eisenstangen von zwei auf vier, was dann ganz neu kommt, sind drei eiserne Schaufeln, die es vorher nicht gab. Dann wieder ein Werkzeug, wo ich auch lang gesucht habe, was das sein könnte. Habe es auch nicht gefunden, ein sogenannter Blindhammer. Schreibt sich mit hartem P und hartem T. Könnte natürlich auch eine damalige Schreibweise für Blindhammer sein. Jedenfalls weiß ich nicht, was das ist. Vielleicht wissen Sie es, also hier auch von 0 auf 6. Was auch von 0 auf 4 anwächst, sind die Keilhauen. Keilhauen. Keilhauen ist ein altes Wort für das Eisen. Das, was sie beim Symbol für den Bergbau Schlägel und Eisen, das ist eine einseitige Spitzhacke, die heißt eben auch Bergeisen oder 1540 noch Keilhaue. Dann wieder die Kratzen, die in der Anzahl sinken von 4 auf 3. Zweispitz werden von ursprünglich Null, zwei, also die werden mehr. Der Wagen, mit dem man die Steine zum See führt, die sind beiden Inventaren. Was auch 1540 Neues sind, zwei Scheibtruhen, was wir auch als Radltruhe kennen. Das ist natürlich nicht so bequem Hand zu haben wie unsere modernen Scheibtruhen. Der große technologische Fortschritt der Scheibtruhe, wie wir sie heute verwenden, ist ja der, dass das Rad der Scheibtruhe nahe unterhalb des Schwerpunktes ist. Also wenn wir heute eine Scheibtruhe betätigen, so müssen wir mit den Handgriffen relativ wenig Gewicht hochheben. Die alten Scheibtruhen, die zumindest noch in der Mitte des 20. Jahrhunderts in Einsatz waren, diese Radltruhen, die hatten ja dieses eisenbeschlagene Rad ganz weit vorne und da musste man mit den Armen, mit den Handgriffen auch nahezu die Hälfte der eingeladenen Last auch noch hochheben und dann noch anschieben. Das zweite Problem war natürlich das eisenbeschlagene Rad, ein hölzernes Scheibtruhenradl mit der Eisen beschlagen, sehr schmal, vielleicht 2 Zoll, 5 Zentimeter breit.

Und so ein Rad läuft natürlich nur auf einem harten Untergrund. Im Gelände versinken sie damit hoffnungslos und man muss sich aus hölzernen Pfosten eine sogenannte Radlbahn anrichten. Es gibt eine Episode des Podcasts, wo es um den Bau des Fachschulgebäudes, Theoriegebäude Südtrakt, und da sieht man auf diesen Fotos noch diese Radeltruhen und auch eine entsprechende Radlbahn. Aber 1540, offenkundig, die Scheibtruhe, eine neue Technologie.

Der Steinvorrat und der Lehmvorrat ist etwa annähernd gleich. Wenn man dann zeitlich noch einmal 20 Jahre weitergeht und ins 1563er Reformationslibell sieht, was da jetzt über dieses Werkzeug steht, da wird dann schon geklagt, dass mit dem Eisenzeug verschwenderisch umgegangen wird. Also wir sehen eine wirtschaftliche Entwicklung 1526, noch der Mangel, 1540 wird schon mehr investiert, es ist mehr Werkzeug vorhanden, wiederum etwa 20 Jahre später, 1563, schon die Klage, dass mit dem Werkzeug verschwenderisch umgegangen wird. Also ich denke, so ein fast urtümlich menschliches Verhalten, man entwickelt sich vom Mangel zum Überfluss und sobald der Überfluss da ist, setzt natürlich auch die Verschwendung ein. Da gibt es natürlich den Versuch der Gegenmaßnahme. Es wird genau beschrieben, dass alle Vierteljahr die Meister verpflichtet sind, nachzuweisen, wie viel Werkzeug sie neu bekommen haben, wie sie damit umgegangen sind, was mit dem - zumindest behauptet - unbrauchbar gewordenen geschehen ist. Und für all diese Dokumentation, für all diese Verrechnungen wird wieder der Rabisch vorgeschrieben, das Kerbholz. Und über das Kerbholz gibt es ja eine eigene Episode und auch die verlinke ich für Sie in die Show Notes.

Über diesen Podcast

Das Welterbegebiet Hallstatt-Dachstein/Salzkammergut ist eine einzigartige Kulturlandschaft mit einem reichen kulturellen Erbe. Mein Name ist Friedrich Idam und ich stelle ihnen in jeder Episode eine neuen Aspekt unseres Welterbes vor. Dieser Podcast wird von Welterbe - Management Hallstatt unterstützt.

Ab Folge 153 ist für jede Episode ein redaktionell bearbeitetes Transskript hochgeladen.

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von und mit Friedrich Idam, Gestaltung: Reinhard Pilz

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