Welterbe Hallstatt

Welterbe Hallstatt

Kulturelles Erbe im Salzkammergut

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Eine Holzart, die große kulturgeschichtliche Bedeutung besitzt, ist die Eibe. Für mich persönlich ist auch die Eibe ein Baum, zu dem ich einen sehr guten, starken Bezug habe. Im Garten meines Nachbarhauses steht ein doch schon älterer Eibenbaum. Und wenn ich da vorbeigehe, wenn ich die wirklich dunkelgrünen Nadeln sehe, jetzt im Herbst, wenn die roten Früchte zu Abertausenden herunterfallen und auf der Straße liegen, da spüre ich, dass dieser Baum etwas durchaus Besonderes ist. Die Eibe wird seit dem Altertum als Holz zur Herstellung von Bögen verwendet. Und ich denke, es ist sehr interessant, dass die botanische Bezeichnung für die Eibe, Taxus Baccata. Dass dieses Taxos im Altgriechischen ganz nahe verwandt ist mit dem Wort Toxos für Bogen. Also Taxos die Eibe, Toxos der Bogen und diesen sprachlichen Zusammenhang gibt es auch im Deutschen, wo im ausgehenden Mittelalter der Bogen auch als der „Eiben“ bezeichnet wird. Einen zweiten Bezug gibt es natürlich zur Giftigkeit. Besonders die Nadeln der Eibe sind sehr giftig. Sie enthalten einen Giftstoff namens Taxin. Dieses Taxin löst Herzrhythmusstörungen aus, die zum Tode führen können. Dieses Eibengift wurde auch seit dem Altertum her schon als Pfeilgift verwendet. Und auch die Bezeichnung toxisch für giftig steht wieder in sprachlichem Zusammenhang mit dem griechischen Toxos für den Eibenholzbogen. Und diese Giftigkeit des Eibenholzes hat er sogar bei Shakespeare Eingang gefunden, wo er im Hamlet von „diesem gottverfluchten Saft des Eibenbaums“ spricht. Also hier eine sehr tiefe kulturhistorische Bedeutung und ich denke auch der Zusammenhang mit dem Salzkammergut ist sehr interessant. Und es gibt ja Flurbezeichnungen wie den Eibenberg in Ebensee, in Rindbach, auf dem keine Eiben mehr stehen. Und es gibt noch diesen Johannsberg in Traunkirchen im Ortszentrum auf dieser Halbeinsel, die in den Traunsee hinausragt. Und da gibt es traunseeseitig einen relativ jungen, aber reinen Eibenbestand. Und ich finde es sehr faszinierend, wenn man da unten, bei diesem Wanderweg durch diesen Eibenwald geht, ich erlebe den eben als einen ganz besonderen Wald. Aber eben dieser Eibenberg in-Ebensee, da stehen keine Eiben mehr. Ich bin im zweiten Reformationslibell von 1683 auf eine interessante Stelle gestoßen, die lautet, in der Überschrift: „Verbot des Eiben und an das edlen Holz.“ Und der Text lautet: Es soll auch Keiner bei Straf, einig Eiben, Ahörnen, Eschen, noch ander edles Holz nicht wirchen, auch des Niemanden ohne Sonder ihrer Majestät Befehlich und Verlassung an keinem Ort zu wirchen, nicht erlaubt oder gestattet werden.“ Und „wirchen“, das Fällen, das Verwüsten, das abholzen. Und da gibt es einen doch sehr spannenden Hintergrund, warum in den 1560er Jahren dieses Verbot kommt. In der Mitte des 16. Jahrhunderts, Nürnberger Kaufleute, und zwar das Brüderpaar Ferrenberger, besaßen ein mehr oder weniger europaweites Eibenholzmonopol und die haben von den Habsburgern das Recht erwirkt, in den Wäldern des Salzkammerguts über drei Jahre hinweg jedes Jahr 20.000 Eibenstöcke zu entnehmen. Ich gehe davon aus, dass das nicht Eibenbäume sind, sondern wirklich Stöcke als Rohmaterial für diese englischen Langbögen, denn sehr viel von diesem Material, das die Gebrüder Ferrenberger aus den Wäldern, auch aus Tirol, auch aus Niederösterreich, aber eben auch aus dem Salzkammergut entnahmen, das ging in den Export nach England. In England waren ja die Langbögen sehr lange im Einsatz. Also ich habe etwas gelesen, etwa in den späten 1620er Jahren war der letzte große kriegerische Einsatz von Bogenschützen. Die technische Eignung des Eibenholzes für diese Bögen ist interessant. Die Eibe ist ja ein immergrüner Nadelholzbaum und die Eibe ist ein sogenannter Kernholzbaum. Kernholzbäume zeichnen sich dadurch aus, wenn man den Baum fällt und die Hirnholzfläche des Stocks betrachtet, so gibt es einen dunkel-rötlich-braunen Kern, das ist im Zentrum des Stammes und außen einen weniger Zentimeter breiten Ring unterhalb der Rinde und das ist der sogenannte Splint und der ist nahezu weiß. Diese beiden Erscheinungsformen desselben Holzes, das Kernholz und das Splintholz, haben unterschiedliche Eigenschaften. Der Splint ist ja sehr jung, das ist die Zuwachszone, also das Unterhalb der Zuwachszone ist die Rinde, der Bast. Und dann ist dieser Splint, das ist sehr junges, sogenanntes juveniles Holz. Und je weiter man ins Zentrum, zum Mittelpunkt des Stammes hinkommt, dort gibt es dann das Kernholz, das alte Holz, das sogenannte adulte Holz. Diese beiden Ausprägungen, je nach ihrem Wuchsalter, haben auch unterschiedliche technologische Eigenschaften. Das Kernholz ist fester, daher druckfester. Das junge, frische Splintholz ist zäher, daher zugfester. Und wenn man jetzt einen Eibenbogen aus dieser Übergangszone zwischen Splint und Kernholz gewinnt, dann kann man ja das ganz gezielt einsetzen. Denn wenn man den Bogen spannt, dann gibt es die Seite, die vom Schützen abgewandt ist, der sogenannte Rücken des Bogens. Und die hohle Seite, die dem Schützen zugewandt ist, das ist der Bauch des Bogens. Der Rücken nach außen gekrümmte Seite wird auf Zug belastet, der Bauch nach innen auf Druck belastet. Wenn man also jetzt den Bogen so verfertigt, dass das Splintholz auf der Rückenseite und das Kernholz auf der Bauchseite des Bogens, hat man letztlich einen natürlichen Verbundwerkstoff, wo jeweils entsprechende Belastung, Zugbelastung, gute Zugfestigkeit, Druckbelastung, gute Druckfestigkeit, solche Verbundwerkstoffe haben wir heute zum Beispiel im Beton. Wir können Beton mit Stahl, mit Betoneisen armieren und dort, wo Zugkräfte auftreten, liegt das Eisen und übernimmt diese Zugkräfte und dort, wo Druck herrscht, übernimmt der Beton. Diese modernen Verbundwerkstoffe haben allerdings das Riesenproblem beim Recycling, dass man die ja wieder trennen können sollte. Und das finde ich ja auch bei diesem Eibenholzbogen so faszinierend, dass es ja letztlich ein Holz ist. Es ist das Eibenholz aber nur in verschiedenen Wuchsaltern und durch diese verschiedenen Wuchsalter besitzt es verschiedene Eigenschaften. Und wenn man einmal so einen Eibenholzbogen recyceln müsste, muss man das ja nicht trennen, weil es ja ein und dasselbe Holz ist.

Aus diesem Grund, aus dieser besonderen Eignung für die Bögen, also einerseits für diese englisch Langbögen, andererseits natürlich auch für Armbrustbögen, wurden an den Eiben des alpinen Raumes ein ganz extremer Raubbau betrieben. Und im Salzkammergut findet man Eiben nur noch ganz selten, weil ja die Eibe ein sehr, sehr langsam wüchsiges Holz ist. Die Eibe ist auch der Baum, der in Europa das höchste Alte erreicht. Also Eiben werden durchschnittlich 500 bis 1000 Jahre alt. Es gibt Exemplare in Schottland, die bis zu 3000 Jahre alt sind. Und natürlich, das sind extrem lange Zeiträume und so ein Bestand kann sich dann nach einem solchen Raubbau nicht mehr erholen. Und wir haben wieder die Situation, die auch schon in den vorigen Episoden beschrieben war. Der Staatshaushalt ist ruiniert und bereits unter Kaiser Maximilian I. Wurden sehr viele Eiben geschlagen. Und zwar wurde so massiv der Wald ausgebeutet, um den Geldhunger des Kaisers zu befriedigen, dass damals schon Forstverwaltungen in Tirol und in Niederösterreich gegen diesen kaiserlichen Befehl aufbegehrten, weil sie sahen, dass dieser besondere Baum, diese Eibe, ausgerottet wurde. Und dann, 1555, beginnt es mit drei Jahren, dass die Gebrüder Fernberger die Eibenstöcke aus dem Salzkammergut entnehmen. Und dann, 1563, schon das Verbot der Eibenholzentnahme. Aber da war es vermutlich schon zu spät. Und es setzte ein technologischer Wandel ein. Wir sind wieder an dieser Zeitfuge vom Mittelalter zur Neuzeit, diese Übergangszone, dieses frühe 16. Jahrhundert. Es kommt aus dem Mittelalter noch die Bogentechnologie, die letzten Kriegseinsätze von Langbögen, noch die Verwendung von Armbrüsten. Aber natürlich mit der Erfindung des Schießpulvers kommt auch in der Rüstungstechnologie die nächste Eskalationsstufe und es kommen die Feuerwaffen. Ich glaube, es war eben nicht nur diese waldschonende Verordnung im Reformationslibell, die dann die Eibe schützt und quasi den letzten verbliebenen Exemplar noch ein Überleben garantierte, sondern ich denke, es war einfach der Technologiewandel, dass einfach Eibenholz für Rüstungszwecke nicht mehr gebraucht wurde.

Die Eibe ist ja auch vor allen Dingen in England ein typischer Friedhofsbaum. Also die Eibe, vielleicht auch mit ihrem Immergrün, vielleicht als Symbol des Lebens, wird dort gepflegt. Es gibt die englische Friedhöfe, habe ich gelesen, mit Eiben aus dem 12. und 13. Jahrhundert. Eine Verwendung, wo ich die Eibe kenne, in Zusammenhang mit Tod, das sind diese Geweihschilder, also diese Brettchen, wo ein Eibenstamm unter etwa 45 Grad als ganzer Stamm geschnitten wird. Also es entstehen Baumscheiben mit einem mehr oder weniger elliptischen Querschnitt, die innen diesen typisch dunkelrotbraunen Kern haben, außen den weißen Splint und diese glatte Eibenrinde. Und auf diese Holzscheiben sind dann die Gamskrickerl oder die Rehgeweihe montiert. Und da möglicherweise, aber da fantasiere ich jetzt, Jäger mögen mich berichtigen, wenn ich jetzt einen Blödsinn erzähle, dass möglicherweise auch hier die Symbolik der immergrünen Eibe in Verbindung mit der Jagdtrophäe gebracht wird.

Über diesen Podcast

Das Welterbegebiet Hallstatt-Dachstein/Salzkammergut ist eine einzigartige Kulturlandschaft mit einem reichen kulturellen Erbe. Mein Name ist Friedrich Idam und ich stelle ihnen in jeder Episode eine neuen Aspekt unseres Welterbes vor. Dieser Podcast wird von Welterbe - Management Hallstatt unterstützt.

Ab Folge 153 ist für jede Episode ein redaktionell bearbeitetes Transskript hochgeladen.

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von und mit Friedrich Idam, Gestaltung: Reinhard Pilz

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