Welterbe Hallstatt

Welterbe Hallstatt

Baukulturelles Erbe im Salzkammergut

Hallstatt Höhere technische Bundeslehranstalt

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Randlage in Krisenzeiten Die Hallstätter Schule als Modell für das Bildungswesen in der Welterberegion

Die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen während der Gründungsphase der k.k. Fachschule für Holzindustrie und Marmorbearbeitung in Hallstatt fordern zum Vergleich mit der Gegenwart heraus. Strategien der Vergangenheit, die sich als erfolgreich erwiesen haben, können hier und jetzt für die Zukunft angepasst werden. Der Gründerkrach von 1873 war eine Börsen-Spekulationskrise, deren Zustandekommen und deren Folgen uns am Beginn des 21. Jahrhunderts seltsam vertraut erscheinen müssen. Diese Wirtschaftskrise war von europäischer Dimension und wurde im Salzkammergut durch den lokalen Strukturwandel zusätzlich verschärft. Die Gebirgsregion am Rande dreier Bundesländer war über Jahrhunderte von der namensgebenden Salzwirtschaft geprägt, die mit der fortschreitenden industriellen Revolution im 19 Jahrhundert ihre Einzelstellung verlor. Von einer mächtigen Industrie, die zu Beginn der Neuzeit den überwiegenden Teil der Staatsfinanzen erwirtschaftete, entwickelten sich die Salinen zu einem Staatsbetrieb mit mäßigen Erträgen. Um überlebensfähig zu bleiben, galt es deren betriebliche Effizienz steigern. Das bedeutete auch damals schon Rationalisierung und den damit verbundenen Personalabbau. Für die Salzproduktion in den Sudhäusern war und ist der Energieeinsatz der entscheidende Kostenfaktor. Bis ins ausgehende 19. Jahrhunderts hinein war Holz der ausschließliche Energieträger und die Forstwirtschaft damit der Schlüsselfaktor des regionalen Wirtschaftsraumes. Mit der Errichtung der Kronprinz Rudolf Bahn wurde es dann aber möglich, Kohle aus dem Hausruckrevier kostengünstig heran zu schaffen. Innerhalb von zehn Jahren gelang die technische Umstellung der Sudhäuser in Aussee, Hallstatt, Ischl und Ebensee von Holz- auf Kohlefeuerung, was neben den betriebswirtschaftlichen Vorteilen, eine hohe Arbeitslosigkeit in der Forstwirtschaft zur Folge hatte. Da auch damals schon versucht wurde, mit dem natürlichen Abgang und dem Aussetzten von Neueistellungen Personal zu reduzieren, waren von diesen Maßnahmen in erster Linie Jugendliche betroffen. Parallel zu diesen Entwicklungen entstand im Salzkammergut ein neuer Wirtschaftszweig, der Fremdenverkehr, mit dem das elitäre Muster Sommerfrische einem breiten bürgerlichen Publikum geöffnet wurde. Dabei stieg nicht nur der Bedarf an Dienstleistungen, sondern auch die Nachfrage nach Reiseandenken. Diese kunstgewerblichen Objekte, vor allen Dingen Schnitzereien, aber auch Drechselarbeiten aus Holz und Stein, waren anfänglich in erster Linie Importware aus Italien. Damit sind die Rahmenbedingungen umrissen, die zur Gründung der Hallstätter Schule führten. Das k.u.k. Handelsministerium, dem das gewerbliche Schulwesen unterstand, verfolgte mit dieser Maßnahme seiner Bestimmung gemäß in erster Linie wirtschaftspolitische Ziele. Neben dem merkantilistischen Ansatz der Verminderung von Importen, dem gesellschaftlichen Problem der Jugendarbeitslosigkeit und der allgemeinen Dürftigkeit der Einwohner gaben darüber hinaus noch die reichen lokalen Vorkommen von Holz und Buntkalksteinen den Ausschlag für die Schulgründung. Modellhaft war die Bildungspolitik als Wirtschaftsmotor bereits in Preußen erfolgreich umgesetzt worden. Österreich folgte (wie so oft) dem deutschen Vorbild. Gründlich untersuchten österreichische Stellen im Vorfeld das kunstgewerbliche Schulwesen in Preußen, Sachsen, Bayern und Württemberg, aber auch in Italien. Johann Freiherr v. Chlumecky, langjähriger Reichsratspräsident und einer der einflussreichsten Politiker des späten 19. Jahrhunderts, unterstütze maßgeblich die Schulgründung in Hallstatt. Ab den 1870er Jahren verbrachte er regelmäßig seine Sommerfrische im Salzkammergut, lernte dabei die lokalen Probleme kennen und sorgte für nachhaltige Strukturverbesserungen. Die Schulgründung in Hallstatt war durchaus kein Einzelfall. Im ausgehenden 19. Jahrhundert wurden in Cisleithanien, der österreichischen Reichshälfte der Doppelmonarchie, neben zahlreichen technisch-gewerblichen Schulen alleine 46 kunstgewerbliche Schulen gegründet. Die Ausbildung der Lehrkräfte, die Bereitstellung von Unterrichtsmaterial sowie die gesamte künstlerische Oberaufsicht fiel dabei dem k. k. Oesterreichische Museum für Kunst und Industrie in Wien zu, das heute Museum für angewandte Kunst, kurz: MAK, heißt.

Mit lediglich vier Schülern wurde im Schuljahr 1873/74 der Schulbetrieb mit der Abteilungen für Holzschnitzerei und Marmorbearbeitung aufgenommen. Öffentlichen Zeichenkurse, die an Abenden und Sonntagen angeboten wurden, sollten die Bildung der Gewerbetreibenden des Ortes und der Umgebung in ästhetischer und technischer Beziehung heben. Auf diese Weise sollten die Qualitätsansprüche der zuströmenden Sommergästen und Fremden befriedigt und sich der im Salzkammergut aufstrebenden Heimindustrien für Holzschnitzerei, Drechslerei und Steinbearbeitung neue Absatzgelegenheiten eröffnet werden. Da die Betriebe der Region jedoch zu wenige Lehrstellen anboten, wurde, um der Jugendarbeitslosigkeit weiter entgegenzuwirken, mit Beginn des Schuljahres 1881/82 die Abteilung für Tischlerei und im Schuljahr 1886/87 die Abteilung für Holzdrechslerei eröffnet.

Unter den ersten Hallstätter Schulleitern - Hans Greil und Gustav Goebel - fand eine intensive Auseinandersetzung mit den Denkmälern der Holzbildhauerkunst statt. Die Bemühungen um Objektivität in der Bestandsaufnahme historischer Holzobjekte standen ganz im Zeichen des damaligen Zeitgeistes, des dogmatischen Historismus. Ergänzend dazu wurden an der Hallstätter Schule innovative Techniken der Holzkonservierung und Restaurierung entwickelt. 1887 erhielt die Schule den Auftrag für die Errichtung eines großen neogotischen Flügelaltars, des Kreuzaltars, in der Hallstätter Pfarrkirche. Diese Arbeit hält dem Vergleich mit dem nebenstehenden gotischen Marienaltar durchaus stand. Damit war nur wenige Jahre nach Gründung der Hallstätter Schule ein Leistungsniveau erreicht, das auch den internationalen Vergleich nicht zu scheuen brauchte. Anlässlich der Weltausstellungen Paris 1878, 1900, 1925, 1937, sowie der Weltausstellung in St. Louis (USA) 1904 wurden Schülerarbeiten mit zahlreichen Bronze-, Silber- und Goldmedaillen ausgezeichnet.

Die steigende Nachfrage an Ausbildungsplätzen konnte das ursprüngliche Schulgebäude am Hallstätter Marktplatz nicht mehr abdecken, sodass ein Neubau der Schule notwendig wurde. 1905 eröffnet der damalige Landeshauptmann Ebenhoch auf der Nachbarparzelle seiner Sommervilla das heute immer noch als Theoriegebäude verwendete Objekt. Die Ebenhoch-Villa wurde in der Zwischenzeit demoliert und der an den See grenzende Park dient heute als Busterminal. Die weiter steigenden Schülerzahlen erforderten bald einen Zubau, der 1938 in Angriff genommen und 1941 fertig gestellt worden ist. Die Schülerzahlen stiegen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts weiter an, obwohl in Hallstatt keine ausreichenden Schülerunterkünfte zur Verfügung standen. Die Situation spitzte sich zu Beginn der 1960er Jahre soweit zu, dass der Schulstandort Hallstatt grundsätzlich zur Diskussion stand. Dank der guten Kontakte von Oberschulrat Maximilian Singer zur oberösterreichischen Regierungsspitze gelang es, den Schulstandort Hallstatt außer Streit zu stellen. Mit der Gründung des Vereins zur Förderung der Bundesfachschule für Holzbearbeitung Hallstatt und dem Bau des Internats ab 1969 bis 1971 konnte das weitere Wachstum des Schulbetriebs in Hallstatt sichergestellt werden. Mit dem Umbau des Salinenstadels im Bereich des aufgelassenen Sudhauses Lahn stand ab 1977 ein zusätzliches Werkstättengebäude mit Maschinenraum zur Verfügung. Seit dem Schuljahr 1982/83 wird neben den Fachschulen auch eine Höhere technische Bundeslehranstalt für Möbel- und Innenraumgestaltung geführt. Mit der Fachschule für Musikinstrumentenbau, die Schülerinnen und Schüler aus ganz Europa nach Hallstatt zieht, konnte das Bildungsangebot ab dem Schuljahr 1988/89 weiter ausgebaut werden. Zurzeit werden gerade weitere Zubauten im Werkstättenbereich ausgeführt und auch zum Theoriegebäude wird im Jahr 2014 ein Zubau erfolgen. Die UNESCO-Welterberegion Hallstatt bietet sich dafür an, den Wandel einer Wegwerfgesellschaft zur Reparaturgesellschaft prototypisch vorwegzunehmen. Hier sollten die alten, gebrauchten Dinge als schützenswertes Kulturgut gelten und der Prozess des Reparierens wird zum restauro. Mit dem schulautonomen Schwerpunkt Holzrestauriertechnik an der HTBLA wird neben der klassischen Möbelrestaurierung großes Gewicht auf die Restaurierung und innovative energetische Optimierung historischer Fensterkonstruktionen gelegt. Die "Maker- Bewegung", ein globaler Trend zur Eigenproduktion von Kleinserien mit Hilfe computergesteuerter Fertigungsmaschinen, geht von einer Generation aus, für die Design am Computer selbstverständliches Handwerkszeug geworden ist. Durch erhebliche Investitionen in die Geräte- und Programmausstattung bis hin zu einer hochmodernen fünf-Achs-CNC Fertigungsanlage, sind in der HTBLA Hallstatt die besten Voraussetzungen für eine zukunftsorientierte Berufsausbildung gegeben. Die Höhere technische Bundeslehranstalt ist heute mit Abstand der größte Arbeitgeber in Hallstatt. Für die regionale Entwicklung kann es als Glücksfall angesehen werden, dass im innersten, südlichsten Tal der Welterberegion Hallstatt – Dachstein-Salzkammergut eine höhere Schule nach wie vor expandiert und erstklassige Bildung an Ort und Stelle angeboten wird. Die Gründungsidee, Bildung als Impuls zur Regionalentwicklung zu setzen, ist aufgegangen und wird weiter getragen.   Literatur

Anderson, Chris, Makers - Das Internet der Dinge: die nächste industrielle Revolution, München 2013. Ilg , Albert, Die kunstgewerblichen Fachschulen des k.k. Handelsministeriums: anlässlich der im October 1875 im k.k. Österreichischen Museum für Kunst und Industrie veranstalteten Ausstellung desselben, Wien 1876. Weigelsperg, Béla, Übersicht der gewerblichen Unterrichtsanstalten in den Königreichen Preussen, Sachsen, Bayern und Württemberg, Wien 1872. Koller, Manfred, Die gotischen Flügelaltäre Oberösterreichs als Aufgabe der Denkmalpflege - besonders der Hallstätter Astlaltar, in: Festschrift Norbert Wibiral, Linz 1986, S. 99 – 111. Mittheilungen des k. k. Oesterreich. Museums für Kunst und Industrie (Monatsschrift für Kunst und Kunstgewerbe.) XII Jahrgang, Nr. 139 (1877), S. 64.


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Über diesen Podcast

Das Welterbegebiet Hallstatt-Dachstein/Salzkammergut ist eine einzigartige Kulturlandschaft mit einem reichen baukulturellen Erbe. Mein Name ist Friedrich Idam und ich stelle ihnen in jeder Episode eine neuen Aspekt unseres Welterbes vor. Dieser Podcast wird von ICOMOS, dem internationalen Denkmalrat, unterstützt.

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von und mit Friedrich Idam, Gestaltung: Reinhard Pilz

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