Baukulturelles Erbe im Salzkammergut
Wenn man von Lehmbautraditionen spricht, denkt man wohl nicht in erster Linie an das Salzkammergut. Der Lehmbau ist traditionell im Osten Österreichs beheimatet und tritt natürlich augenfällig und leicht sichtbar bei Hochbauten auf. Im Salzkammergut gibt es eine uralte Lehmbautradition, die möglicherweise bis in die prähistorische Zeit zurückreicht, die aber im Salzkammergut in erster Linie eine Tiefbautechnik geblieben ist. Hochbau und Tiefbau, da ist ja die Unterscheidung, dass der Tiefbau eher technisch ist, nicht direkt für menschliche Wohnbedürfnisse, während der Hochbau den menschlichen Wohnbedürfnissen dient. Und die Lehm-Tiefbau-Tradition des Salzkammerguts findet man unter Tage in den Bergwerken. Bei der nassen Abbautechnik des Salzes geht es darum, dass in der Salzlagerstätte im Haselgebirge künstlich anfänglich kleinere Hohlräume geschaffen werden, welche dann durch eingeleitetes Süßwasser ausgetaugt werden. Und genau bei diesem Prozess setzt jetzt diese Lehmbautechnik ein.
Die Salzlagerstätten des Salzkammerguts bestehen in erster Linie aus sogenannten Haselgebirge. Haselgebirge ist ein Gemenge aus Salz, aber auch aus Gips und auch aus Tonmineralien. Und dieses Haselgebirge trat ja nach der Eiszeit, nachdem die Gletscher die Oberfläche dieser Lagerstätte quasi abradiert hatten, lag dieses Haselgebirge offen zu Tage und durch Regen wurde natürlich Salz und Gips ausgelaugt und die Tonmineralen blieben über. Und so hat sich über diesen Salzlagerstätten eine sehr dichte Schicht, in Hallstatt sind das grau-grüne Tone abgelagert, das sind sehr reine Tone, weil die natürlich durch Jahrhunderte, Jahrtausende lange Prozesse ausgelaugt wurden und von Salz und Gips befreit wurden. Und genau dieses Material, diesen Baustoff hat man dann schon zu sehr frühen Zeiten verwendet. Ursprünglich erfolgt ja dieser nasse Abbau in sogenannten Schöpfbauten, also man hat unter Tage eine Grube neben dem Stollen geschaffen, diese Gruben mit Wasser gefüllt, gewartet, bis das Salz ausgelaugt war und ausgeschöpft. Und es gibt natürlich in diesen Gebirgen natürlich immer wieder Klüfte und durch diese Klüfte ist natürlich das Wasser aus diesen Schöpfbaum ungewollt abgekommen. Und zum Abdichten dieser Lüfte wurden eigentlich schon in sehr früher Zeit Mittelalter Lehmschläge durchgeführt. Da wurde dieses obertägige Tonmaterial in die Bergwecke, in die Grube eingebracht und dann diese Stampflehm, diese Lehmschlagarbeiten durchgeführt. Die Tone, die in der Grube entstehen, die durch den Ablaugprozess entstehen, das sind sehr oft sehr poröse Tone, die sich eben durch Wasserdurchlässigkeit oder eine gewisse Wasserdurchlässigkeit auszeichnen, sodass sie für diese Arbeiten eigentlich sehr schlecht geeignet sind. Es begann erst etwa in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts unter Initiative des Hallstätter Bergmeisters Johann Georg Ramsauer, der versuchte eben auch untertägig anfallende Tone für diese Abdichtung, für diese Verdämmarbeiten zu verwenden, weil natürlich die Transportwege innerhalb der Grube deutlich kürzer waren, als von dem von Obertage abgebauten Ton dann in die Grube einzubringen. Aber es ist nur sehr selten, dass eben unter Tage geeignete Tonmineralien anfallen.
Im Lauf der Entwicklung wurden dann die sogenannten Schöpfbaue, die Schöpfwerke, zu Ablasswerken umgestaltet. Das heißt, man unterfuhr das Werk mit einem tiefer gelegenen Bergbauhorizont und befüllte das Laugwerk von oben mit Süßwasser. Und wenn dann die Salzlösung, die Sole gesättigt war, wurde sie am unteren Holz runter abgelassen. Und diese Ablassvorrichtung wirklich dicht einzubauen, da sind ja tausende Kubikmeter Sohle in diesem Laugwerk oberhalb, die dann auf diese Ablassvorrichtung drücken und die muss natürlich 100% dicht eingebaut werden. Und da wurde der Ton, in den historischen Aufzeichnungen immer als Letten bezeichnet, wurde hier eingebaut und da gibt es wirklich ganz analoge Techniken zur Stampflehmtechnik. Der Letten wurde schichtweise eingebracht und mit hoch spezialisierten Werkzeugen eingebaut, eingeschlagen. Da wurden Schichten von etwa 10 bis 15 Zentimeter aufgebaut, die wurden verdichtet, und dann die nächste Schicht aufgebaut, also ganz analog zur Stampflehmtechnik wurde hier unter Tage gearbeitet. Es gab hier natürlich besondere Herausforderungen bei diesen Einbauten, Und dass man ja durch die Struktur des Stollens und durch die Enge der Räume am Schluss nicht von oben arbeiten konnte. Also man musste oft an horizontalen Wänden und in ganz speziellen Situationen sogar überkopf diese Lehmschläge durchführen. Denn diese Lehmschläge, diese Abdichtungen wurden nicht nur zum Eindichten dieser Ablassvorrichtungen der Laugwerke gebraucht, sondern auch, um die Ausbreitung der Laugwerke zu kontrollieren. Es trat manchmal die Situation aus, weil ja dieses Haselgebirge nicht homogen ist. Da gibt es ja auch Bereiche, die Meersalz enthalten, dass sich auch die Geometrie dieses Laugwerks nach jeder Wässerung nicht gleichmäßig verändert, sondern dass manchmal Laugwerke drohten, zusammenzuwachsen. Und um dieses Zusammenwachsen von Laugwerken und dann in weiterer Folge den Niedergang, den Einsturz zu verhindern, wurden dann Lehmdämme eingebaut, um die Ausbreitung an ganz bestimmten kritischen Stellen zu behindern. Und da wurden tatsächlich in das quasi unverritzte Haselgebirge dann quasi Wände herausgenommen, also relativ hohe, schmale Stollen, die dann wie Absperrvorrichtungen im unverritzten Gebirge standen. Und das Einbringen des Lehms in diese quasi künstlich erzeugten Klüfte, da war es dann zum Schluss notwendig, über Kopf den Lehm schichtweise einzubringen und eine sehr harte Arbeit, wenn man daran denkt den Lehm Obertage abzubauen, aufzubereiten, dann in das Bergwerk, das geschah oft, so weit es möglich war, mit Hunden. Aber es wurde dann auch, entweder es gibt Abbildungen Mitte 18. Jahrhundert noch in leinenen Tragsäcken, 19. Jahrhundert sehen wir dann Abbildungen, wo in hölzernen Putten, ähnlich so wie die Weinlese-Butten, wurde dann am Rücken der Arbeiter dieses Material ins Bergwerk eingebracht. Diese Arbeiten wurden und ich habe hier mit einem sehr erfahrenen Hallstätter Bergmann, mit dem Bergmann in Ruhe Johann Unterberger, der der Markscheider, der Vermesser des Hallstätter Salzbergs war und der hat Ende der 1970er Jahre als junger Bergmeister noch den Einbau des letzten Ablasswerkes in Hallstatt geleitet. Und da wurde noch in genau dieser Arbeitstechnik der Lehm eingeschränkt. Allerdings, die Verdichtung erfolgte nicht mehr mit Handwerkzeugen, sondern bereits mit Pressluftwerkzeugen.
Über die Tätigkeiten, wie das alles durchgeführt wird, vor allen Dingen aus dem 19. Jahrhundert sind wir durch die sogenannten Manipulationsbeschreibungen sehr gut unterrichtet. Es gibt eine große Manipulationsbeschreibung vom Anfang des 19. Jahrhunderts von etwa 1809 bis 1815. Da sind in erster Linie die Werkzeuge sehr genau abgebildet und beschrieben. Und dann gibt es eine zweite Manipulationsbeschreibung von Käfer. Und in dieser, die stammt aus den späten 1830er, sind dann die Arbeiter bei ihrer Tätigkeit abgebildet. Das ist natürlich ein reiches Quellmaterial, wo letztlich eine versunkene Welt abgebildet wird. In gewissen Bereichen ist auch aktuell noch der Einbau von Ton in Stampflehmtechnik im Bergwerk Gang und Gebe und zwar bei sogenannten wasserführenden Strecken, also bei Stollen, wo von Obertage Wasser eintritt und dieses Wasser durch den Stollen zum Mundloch nach außen abgeleitet werden soll. Da wird, wenn eben der Stollen ausgebrochen ist, auf der Sohle des Stollens ein Lehmschlag eingebracht, der auch noch seitlich hochgezogen wird und erst dann wird mit dem Ausbau, mit der Auszimmerung des Grundgebäudes begonnen, dass eben das Wasser, wenn es nach außen ringt, nicht in die Salzlagerstätte eindringen kann. Es gibt auch Obertage, zumindest einen Befund, da hat mich auch Johann Unterberger darauf hingewiesen in Hallstatt, bei einem alten Haus, das am Ufer des Waldbach steht, dessen Fußbodenniveau im Erdgeschoss deutlich unterhalb des umgebenden Geländes liegt. Und bei Hochwasser ist ja die große Gefahr, dass dann in dieses tiefer liegende Erdgeschoss Wasser eindringen könnte. Das Haus ist Bruchstein gemaut und das ist wirklich offenkundig an den Seitenwänden, außen, quasi wie ein Perimeter mit einem Lehmschlag versehen. Und es liegt natürlich die Vermutung nahe, dass ähnlich wie bei den wasserführenden Strecken auch die gesamte quasi jetzt Fundamentebene, bevor das Haus errichtet wurde, bevor der Fußboden gemacht wurde, ebenfalls ein Lehmschlag eingebracht wird. Sodass also Bergleute ihr Wissen, das sie in der Grube hochspezifisch eingesetzt haben, dann mit an den Tag herausgenommen haben und auch bei kritischen, wassergefährdeten Zonen in ihren Häusern eingesetzt haben.
Lehmbauten, wie wir sie aus Ostösterreich kennen, wo eben auch das aufgehende Mauerwerk aus Lehm hergestellt ist, kenne ich im Salzkammergut keine realen Befunde. Ich habe im Hofkammerarchiv in einem Faszikel des Gmundner Bancale aus der Mitte des 18. Jahrhunderts einen sehr interessanten Schriftverkehr gefunden, wo ein Strennknecht, also die Strennknechte waren für die Betreuung des Strenns, der Soleleitung zuständig, wo ein Strennknecht zuerst ans Salzoberamt in Gmunden und dann in weiterer Folge an die Hofkammer zu Wien. Den Antrag stellt, ob er nicht im eigenen Wald wohlgemerkt drei Baumstämme schlagen dürfte, um bei seinem Haus eine kleine Kammer zuzubauen. Und weil ja von Seiten der Hofkammer so strikte Holzsparverordnungen immer wieder in Kraft gesetzt wurden, um eben den nahezu unstillbaren Holzhunger der Salinen, das Holz wurde ja gebraucht für die Auszimmerung der Gruben, natürlich vor allen Dingen zur Feuerung der Salzpfannen, aber auch für die Salzverpackungen. Und um dieser Holznot Herr zu werden, wurden natürlich, so wie es immer ist, natürlich in erster Linie die Untertanen dazu gezwungen, sparsam zu sein. Und in diesem Schriftverkehr wird letztendlich von der Hofkammer dem Greunz beschieden: Er kann wohl seine Kammer errichten, er möge sie aber aus Steinern und Laimb errichten. Also hier, das ist der einzige Hinweis, den ich auf Lehm für Hochbauzwecke gefunden habe, aber möglicherweise war in der Bautradition der Lehmbau im Salzkammergut so stark als Tiefbautechnik verortet und der Holzbau so prominent in den Köpfen und in den Bauwollen, dass sich Lehm als Hochbautechnik, obwohl in der Verarbeitung des Lehms höchste Kunstfertigkeit über Jahrhunderte vorhanden war, nicht durchgesetzt hat.